21. - 24.11.2019: Puerto Inca - Ocucaje - Cerro Azul - Lima - Barranca

Klicken Sie auf ein Bild, um es größer anzuzeigen.



20.11.2019: Arequipa nach Camaná

Wir verabschieden uns von Arequipa und fahren wieder zur Küste runter. Dieses Mal verlassen wir die Stadt über die südliche Straße, die an der Mina Cerro Verde vorbeiführt. Sie ist zwar ein paar Kilometer länger, als die nördliche Zufahrt nach Arequipa, dafür aber nicht für Lastwagenverkehr zugelassen und entsprechend leer. Warum haben wir sie nicht bei der Herfahrt benutzt? Wir hätten uns das Stop and Go hinter den vielen Lastern durch die Berge sparen können!

Da wir wie immer spät abgefahren sind, schaffen wir es gerade noch vor der Dunkelheit bis Camaná, wo wir uns direkt vor der Polizeistation an den Strand stellen. Bis 22.30 Uhr hören wir laute Musik von einer Bar ... kaum ist es einigermaßen ruhig, fangen die wilden Hunde an zu bellen! Grrrrr ...

Gegen Mitternacht - wir liegen schon im Bett und haben das Licht aus - versucht jemand bei uns vorne die Fahrertür zu öffnen. Wir schrecken sofort hoch und ich sehe hinten aus dem Fenster ein paar Jugendliche mit ein paar Müllsäcken über der Schulter, aber sie laufen weiter ohne uns die Scheibe einzuschmeißen. Puh!!! Man weiß ja wirklich nie, ob und wann hier in Peru was passiert, aber leider haben wir schon sehr viele Overlander getroffen, bei denen in Peru das Fahrzeug aufgebrochen wurde. Die restliche Nacht bleibt aber sehr ruhig und wir schlafen im sanften Geräusch der Wellen tief und fest.

21.11.2019: Camaná nach Puerto Inca

Morgens um 8 Uhr weckt uns die Hitze im Fahrzeug und Helen steht auf, um die Schiebetür zu öffnen. Frische Seeluft erreicht unsere Bettkante - ein herrliches Gefühl! So etwas erlebt man einfach nur im Wohnmobil!

Während wir frühstücken, baut eine Frau direkt neben uns einen großen Sonnenschirm auf und plaziert ihren kleinen Eiswagen drunter. Ich grüße noch freundlich, aber sie motzt mich an. Wir sollen woanders hinfahren! Wie bitte? Ich gucke nach rechts - weit und breit ist kein anderes Auto am Strand zu sehen und es gibt ganz viel Platz für ihren Eiswagen - ich gucke nach links ... genau das gleiche. Warum muss sie sich also direkt dahin stellen, wo wir stehen? Ihr Sonnenschirm berührt fast das Dach von W2! Ich gebe ihr in meinem besten Spanisch zu verstehen, dass wir hier an dieser Stelle zuerst gestanden haben und sie sich doch einen anderen Platz suchen kann. Wenn Indigene böse gucken, dann gucken sie richtig böse! Normalerweise liebe ich ihr breites Lächeln oder Lachen, aber diese Dame versteht ganz sicher keinen Spaß! Grrrr ...

Während ich anschließend ein paar Fotos vom Strand schieße, macht Helen uns startbereit. Sie sieht mich kommen und schmeißt den Motor an und ich sehe, dass wir hinten links kein Licht haben. In Peru ist das Fahren mit Licht - auch tagsüber - Pflicht. Funktioniert es nicht und die Polizei sieht so etwas, dann bekommt man vor allem als Ausländer gleich eine hohe Geldstrafe aufgebrummt. Wir schrauben also die Lichtleiste ab und wechseln die Glühbirne - danach ist alles wieder paletti!

Die Panamericana führt zwischen Camaná und Yauca - gute 275km - direkt am Pazifik entlang. Die Fahrt ist aber nichts für schwache Nerven, denn der Highway ist nicht unten am Wasser, sondern gut 250 bis 300 Meter höher. In engen Kurven windet er sich durch die hügelige Landschaft. Es gibt weder Barrieren noch einen Seitenstreifen und so wird die Fahrt auf der zweispurigen Strecke sehr anstrengend, denn der Abgrund ist nicht weit vom Reifen entfernt. Eine Unachtsamkeit ... ein Laster, der in der Kurve zu weit ausschert ... und schon ist es passiert ... man rast den Abgrund runter. Helen muss sich höllisch konzentrieren.

Wir fahren an riesigen Sanddünen vorbei bzw. mittendurch oder auf Hängen, die nur aus losem Sandstein und großen Steinbrocken bestehen. Wenn da was ins Rutschen kommt, dann reißt es uns mit in die Tiefe! Anspannung pur! Mir geht auch die ganze Zeit der Gedanke nach einem schweren Erdbeben nicht aus dem Kopf, was ja hier auf der Pazifikseite in Südamerika auch keine Seltenheit ist. Dennoch ist die Fahrt entlang der Panam sehr interessant, denn alle paar Kilometer wechselt die Landschaft. Zwischendrin kommt auch mal der Küstennebel auf und wir sehen gar nichts.

Kurz vor der Dunkelheit biegen wir zum Puerto Inca Strand ab. Hier waren wir 2002 schon einmal während unserer Kumuka-Reise, aber wir erkennen den Strand nicht wieder. Damals gab es nur ein paar kleine Strohpalapas am Wasser, heute stehen da eine Menge Restaurants. Wir fahren gar nicht erst ganz runter, sondern stellen uns oben auf einem festen Platz neben der Sandstraße hin. Hier sind wir ganz alleine und hören weder das Meeresrauschen noch den Straßenverkehr von der Panamericana - nur den Puls in unseren Ohren während der totenstillen Nacht.

22.11.2019: Puerto Inca via Nasca nach Ocucaje

Nach der wunderbar ruhigen Nacht fahren wir - wie immer - etwas später los. Nur wenige Kilometer weiter kommen wir auf der Panam um eine Kurve und müssen anhalten - Baustelle! Helen macht sich Sorgen, dass uns von hinten jemand rein rast, denn die Kurve ist nicht einsehbar. Ich ziehe mir eine unserer Bauarbeiterwesten an (haben wir damals von Steffen geerbt und sie waren bis dato noch nie im Einsatz!) und gehe zur Kurve zurück. Mehrere Lastwagen kommen den Hügel hoch und ich mache Handzeichen, dass sie langsamer fahren sollen. Ich sehe dem Fahrer im ersten Laster an, dass er total verwirrt ist. Steht da doch eine weiße Frau mit kurzen Haaren und Sonnenbrille auf der Straße und gibt Anweisungen, noch dazu in kurzen Shorts und nackten Beinen. Dennoch geht er mit der Geschwindigkeit runter und die anderen folgen.

Wir müssen länger warten und nutzen die Zeit ein paar gestellte Fotos von meiner Aktion zu machen. Lustigerweise kopiert mich einer der anderen Fahrer am Straßenrand. Er hat offensichtlich erkannt, dass meine Aktion gar nicht mal so blöd war und blödelt lachend mit mir rum. Wir machen gemeinsam das Usain Bolt Markenzeichen.

Die Baustelle hat es in sich - wir bleiben eine Stunde lang darin hängen. Bei der Weiterfahrt geht es Kilometerlang über staubigen Schotter. In einem kleinen Dorf müssen wir erneut über eine halbe Stunde warten bis der Gegenverkehr an uns vorbei ist. Helen wollte vorher noch ein paar Laster überholen, wird dann aber durch den plötzlichen Stillstand nach einer Kurve gestoppt. Wir versuchen uns wieder in die Schlange rein zuschummeln, aber niemand macht Platz für uns. Der Fahrer eines PKWs ist sogar sauer und macht eine entsprechende Handbewegung bevor er aus dem Fenster direkt vor unser Fahrzeug spuckt. Arschloch!

Damit wir nicht den Gegenverkehr behindern, parkt Helen erst einmal auf dem gegenüberliegenden Straßenrand. Wir harren der Dinge und beobachten die Situation. Kaum rollt der letzte Laster des Gegenverkehrs vorbei, hat Helen den Motor an und gibt Gas. Auf der nun freien Gegenfahrbahn fahren wir an vielen Lastern und PKWs vorbei, bevor die überhaupt in die Gänge kommen. Das Spuck-Arschloch hat bestimmt ganz schön gestaunt, wie gewieft die beiden Muchachas aus Alemania sind.

Erneut geht es Kilometerlang über Schotter und eine Menge Schlaglöcher. Ein paar Frauen stehen am Straßenrand und hoffen darauf, dass ihnen ein paar Geldstücke für das Füllen einiger weniger Schlaglöcher zugeschmissen werden. Die Ärmsten ... sie gehen im Staub der Laster fast verloren. Die ersten 1 1/2 Stunden schaffen wir gerade einmal 20km und wir haben noch über 250km vor uns, aber zum Glück ist die Panam nach den vielen Baustellen am Anfang des Tages anschließend wieder in einem guten Zustand.

Am späten Nachmittag erreichen wir den Maria Reiche Turm. Von hier aus hat man einen Blick auf einige der berühmten Nazca Linien. 2002 haben wir noch einen Flug über die Nazca Linien gemacht, aber heute ist das bestimmt um einiges teurer und so begnüge ich mich mit der Besteigung des Turms (4 Soles - etwa 1 EURO). Direkt gegenüber steht ein neuer und höherer Turm am Straßenrand, aber er wird erst im Dezember geöffnet.

Erneut erreichen wir kurz vor der totalen Dunkelheit unseren Übernachtungsplatz - ein Fußballfeld in Ocucaje. Wir stellen uns neben den größten Baum, in der Hoffnung, dass wir dann morgens im Schatten stehen. Wir vertun uns allerdings jeden Tag damit zu schätzen, wo denn morgens eigentlich die Sonne aufgeht. Peru ist ein Land - ähnlich wie Uruguay - dass eigentlich mehr eine Nordwest-Südost-Ausrichtung, als eine direkte Nord-Süd-Ausrichtung hat. Gefühlsmäßig fährt man nach Norden, guckt man dann aber auf das GPS, dann ist es häufig direkt nach Westen oder Nordwesten. Verwirrend!

23.11.2019: Ocucaje via Huacachina Oase nach Cerro Azul

In diesem Fall sollte es allerdings egal sein, denn wir werden um 6.30 Uhr - also noch vor Sonnenaufgang! - von einem komischen Geräusch geweckt. Es kracht unweit von uns und wir hören hier und da das Piepen eines rückwärts fahrenden Fahrzeugs. Nach einer Stunde kommen die Geräusche immer näher ... fällt da jemand die Bäume auf dem Fußballplatz? Ich gucke hinten raus und tatsächlich ... direkt neben uns ist ein Raupenbagger am Werk und reißt alle Bäume ab. Oh, shit! Unser Baum ist der nächste.

Wir stehen auf und Helen fährt Winnietwo nach draußen zum Dorfplatz. Ich laufe noch mal mit der Kamera zurück und drehe ein Video von dem Raupenbagger, wie er unseren Baum niederwalzt und zerstört. Hmmm ... vermutlich wird hier was neues gebaut und wir waren die letzten, die hier übernachtet haben. Wenn wir wieder online sind, muss ich das mal in iOverlander eintragen. Schade, denn es war ansonsten richtig ruhig hier während der Nacht. Typisch, dass das ausgerechnet passiert, wenn wir hier sind!

Wir frühstücken und fahren dann weiter in Richtung Ica. Diese recht große Stadt ist ein Molloch und der Verkehr ist enorm. Direkt in der Mitte der Stadt geht es links auf die Straße zur Huacachina Oase ab. Auch hier waren wir 2002 mit Kumuka. Damals gab es ein einsames Hotel am Wasser. Heute ist es eine Touristische Katastrophe! Von der Oase ist nicht allzu viel zu sehen im Häusermeer. Wir sind auf einem Samstag da und es wimmelt nur so. Zum Glück finden wir schnell einen Parkplatz in den engen Gassen. Helen hat gar keinen Bock zu den Dünen zu laufen und entspannt sich im Auto, während ich mit der Kamera loslaufe.

Ich erkenne null was wieder. Überall sind Souvenirstände, Restaurants, Hotels und Pensionen - einen freien Blick zum Wasser findet man kaum noch. Auf den Dünen warten die Dünenbuggies auf Touristen. Es ist laut und dreckig. Erschreckend! Wieder mal ein sehr gutes Beispiel, wie der Tourismus schöne Naturgegenden zerstören kann.

Ich laufe halb auf eine Düne hoch ... hechel, hechel ... um mir das ganze von oben anzuschauen. Ein großer Wasserbehälter aus Beton steht halb gekippt auf der Düne, wohl ein Versuch, Wasser für die Oase bereitzuhalten. Aber die Dünen sind stärker und haben das ganze in die Schieflage gebracht. Ein Schandflecken, den wohl keiner beseitigen will.

Die Dünenbuggies rasen mit laut röhrenden Motoren über die Dünen. Was soll das? Umweltverschmutzung hoch fünf! Ich kann ja verstehen, dass Peru gerne Geld mit dem Tourismus machen möchte, aber das geht hier einfach zu weit. Wir können uns nicht einmal an Ica erinnern. Gab es 2002 diese Stadt eigentlich schon? Wir machen uns jedenfalls schnell wieder von Dannen.

Kurz hinter Ica gibt es eine Schrecksekunde. Auf der Gegenfahrbahn kommt uns ein Kleintransporter entgegen. Auf der Ladefläche befindet sich ein großes Gestell. Direkt vor uns reißt das Seil und das Gestell macht den Abflug. Es knallt auf die Straße, fällt aber zum Glück nicht komplett von der Ladefläche runter. Der Fahrer bremst geistesgegenwärtig und niemand kommt zu Schaden. Das war knapp!

Hinter der Abzweigung nach Paracas wird die Panamericana vierspurig. Die Fahrtrichtungen sind durch einen breiten Mittelstreifen getrennt, der Straßenbelag ist 1A! Super, nun können wir uns entspannen und rollen fröhlich unserem Tagesziel - dem Strand von Cerro Azul - entgegen. Ein guter Tipp von iOverlander. In der Nebensaison können wir hier ganz ohne Probleme direkt am Wasser stehen.

Der kleine Badeort hat einen Pier, einen schönen Sandstrand und viele kleine Restaurants. In den Wellen zeigen Surfer ihre Künste. Leider ist es bewölkt, aber da wir schon gegen 15.45 Uhr hier sind können wir uns endlich mal ein bisschen bewegen und die frische Luft genießen.

Eine offene WiFi Verbindung finden wir nicht und schalten deswegen auf unserem Smartphone den Datentransfer ein. Mit unserer Claro Karte aus Paraguay können wir Roaming machen und ich beeile mich alle WhatsApps und Emails runter zu laden, denn Helen ist noch einmal Großtante geworden. Ihr Neffe Steven und seine Frau Rachel haben ihr drittes Kind bekommen - Eliza, ein kleines Mädchen.

Leider können wir die Bilder dazu nicht runterladen, denn im Hintergrund hat Google Play ärgerlicherweise mal wieder automatische Updates gemacht, obwohl wir schon die Einstellung dazu gesperrt haben. Innerhalb von nur 2 Minuten sind deswegen 9MBs weg und wir zahlen hier in Peru für jedes einzelne MB einen US Dollar! Shit, unser Guthaben ist damit weg! Wir sind sauer. Scheiß Google! Man kann den Download nicht mal unterbrechen. Wir hassen so etwas!

24.11.2019: Cerro Azul via Lima nach Barranca

Ich nehme es schon mal vorweg: nach diesem Fahrtag bin ich fix und foxi!!! Die 323km von Cerro Azul quer durch Lima bis nach Barranca waren nichts für schwache Nerven! Aber der Reihe nach ...

Es ist noch dunkel und wir werden wach ... DUMM DI DUMM DUMM, DUMM DI DUMM DUMM ... laute Musik aus einem Auto, dass nicht weit von uns entfernt geparkt ist. Ich tippe mal auf junge Leute, die bei lautem Beat eine Nummer auf der Rückbank schieben. Stöhn! Das kommt von mir, denn wir bekommen einfach nicht genug Schlaf! Nach einer Stunde hauen sie wieder ab und wir kriegen noch etwas Nachtruhe.

Morgens scheint die Sonne und wir lassen es gemütlich angehen, schließlich ist Sonntag. Der ursprüngliche Plan war eigentlich beim Club Germania in Lima für ein paar Nächte zu stehen, aber wir haben keine Antwort auf unsere Email-Anfrage bekommen und Sonntags kommt man da eh nicht durch das Tor. Helen hat die Hoffnung, dass die Laster heute nicht unterwegs sind und wir ruckzuck durch Lima durchfahren können. Eigentlich wollte ich mir in Lima den Parque Magico de Agua mit seinen vielen bunt angestrahlten Fontainen anschauen, aber Montags findet da nichts statt und Helen hat keinen Bock auf Lima.

Wir waren vor 17 Jahren auf unserem Kumuka-Trip schon mal da und fanden es nicht wirklich prickelnd. Damals waren mehr als 80% der Bewohner von Lima arbeitslos und man musste echt aufpassen, dass einem nichts geklaut wurde. In den letzten Jahren soll sich die Situation in der Hauptstadt von Peru zwar verbessert haben, aber die meisten Overlander vermeiden die Stadt schon wegen des enormen Verkehrsaufkommen.

Fährt man auf der Panamericana von Norden nach Süden oder wie wir umgekehrt, dann muss man mitten durch Lima durch - eine Umgehung gibt es nicht. Von Cerro Azul aus sind etwas über 120km bis Lima. Die Autobahn ist in einem sehr guten Zustand und wir rollen flott dahin, nachdem wir den Strand so gegen 11 Uhr morgens verlassen haben.

Laut iOverlander soll es hier überall korrupte Polizisten geben, aber wir sehen nicht einen einzigen. Gestern wollten uns mal welche rechts an den Straßenrand winken, aber wir sind einfach auf der Fahrbahn geblieben und dann haben sie uns durchgewunken.

Eigentlich kann man sich auf der Autobahn entspannen - es gibt keinen Gegenverkehr und das Überholen auf den beiden Fahrspuren ist wesentlich entspannter, als noch im Süden auf der Panamericana. Aber hier und da treffen wir leider auf Peruanische Idioten. Ein Cruz Del Sur Reisebus will partout nicht auf die rechte Spur wechseln, obwohl alles frei ist. Er zwingt uns und andere rechts zu überholen - gefährlich!

Wir tanken zwischendrin und leider überholt uns der Reisebus an dieser Stelle. Also müssen wir ihn erneut waghalsig überholen, denn er ist deutlich langsamer unterwegs als wir. Von hinten kommen die PKWs angebrettert und rammen uns vorne fast die Motorhaube ab. So mancher PKW sitzt dem Reisebus hinten auf der Stoßstange, um ihn auf die rechte Fahrbahn zu zwingen, aber der Busfahrer bleibt stur links. Wir fahren auf der rechten Seite, Helen setzt zum Überholen an, von hinten schert einer direkt vor uns ein, überholt den Reisebus und rast gleich wieder links rüber. Wir sehen noch, wie der Fahrer des PKWs dem Reisebusfahrer den Stinkefinger zeigt. Auch wir sind sauer, denn es gibt keinen Grund für den Bus die ganze Zeit links zu fahren, das macht das Überholen echt zu einer gefährlichen Sache.

Wir erreichen den Süden von Lima und auf einmal werden aus zwei Spuren gleich vier in unsere Richtung. Die Laster und Busse wechseln von ganz links auf ganz rechts. Ich schaue auf unserem GPS nach, das sagt wir sollen uns links halten, um auf der Panam zu bleiben. Dann trennen sich die Spuren wieder - zwei nach links, zwei nach rechts und wir können schon am Straßenbelag erkennen, dass unser GPS uns in die falsche Spur geschickt hat. Schlaglöcher und tiefe Reifenrillen und wir befinden uns nur wenig Meter weiter im dichten Stadtverkehr, anstatt auf der Panam. Na, super!

Samantha, unsere GPS Dame, erkennt ihren Fehler und leitet uns zurück zur Panam, aber das dauert eine Weile, denn wir müssen an Baustellen und parkenden Lastern vorbei. Eben war die Straße noch Dreispurig, dann mündet sie in eine Spur ... Laster, Busse, PKWs, Tuc Tucs und natürlich auch Winnietwo müssen sich im Nadelöhr ihre Spur suchen. Helen hat vorne, hinten und an den Seiten Augen und alles im Blick! Nerven aus Stahl, sage ich nur! Ich rufe alle 30 Sekunden "Vorsicht!" - aber Helen windet sich professionell und ohne zu zögern durch den Verkehr.

Vor Lima mussten wir schon durch eine Mautstation und 5,50 Soles entrichten. Dabei wäre es auch geblieben, wären wir den anderen auf den rechten Spuren entlang der Panam gefolgt. Da wir nun aber einen Umweg durch den Stadtverkehr gemacht haben, treffen wir direkt an der Auffahrt zur Panam wieder auf eine Mautstation. Helen zeigt der Dame unser Ticket, aber sie sagt, es handelt sich hier um eine andere Mautfirma und wir müssen noch mal 5,70 Soles bezahlen ... grrrrr!!!

Nur wenig Kilometer weiter landen wir im Stadtzentrum von Lima. Die Panam führt direkt am Plaza de Armas mit dem Präsidentenpalast und den alten Kirchen vorbei. Ich erkenne sie noch von unserer damaligen Stadtrundfahrt. Große Schilder weisen auf eine Fahrspurverengung hin, irgendwo vor uns gibt es eine Baustelle mitten auf der Panam. Aus vier Spuren werden drei, dann nur noch zwei ... wir stecken mitten im Stau. Rechts rasen die Stadtbusse laut hupend an uns vorbei, von links mogeln sich die Autos und Taxis in jede kleine Lücke, die man ihnen so lässt.

Helen bleibt unserem Vordermann auf der Stoßstange kleben. Ständig wird für wenige Sekunden Gas gegeben, dann kommt die nächste Vollbremsung, denn der Verkehr steht schon wieder ... bloß keinen vorlassen, ist Helens Devise. Ich bekomme auf dem Beifahrersitz mehr und mehr graue Haare! Motorräder quetschen sich zwischen die Autos und Busse, der Dieselgeruch ist unerträglich, das ewige laute Gehupe geht auf die Nerven ... nur Helen ist die Ruhe selbst und würgt uns durch den Verkehr. Man, bin ich froh, dass sie fährt! Ich hätte schon längst einen Bums gebaut oder wäre mit Nervenzusammenbruch heulend am Straßenrand geparkt. Ein echter Alptraum! Dieser Verkehrswahnsinn erinnert uns voll an unsere Zeit in Indien! Wir brauchen 30 Minuten, um durch den Stau zu kommen.

Ich hatte mir morgens schon einen Plaza Vea im Norden von Lima direkt neben der Panam rausgesucht, damit wir noch mal Einkaufen gehen können. Hier gibt es auch eine Scotiabank, wo wir noch etwas Bargeld ziehen können. Laut GPS ist es eine einfache Ausfahrt, die uns direkt zum Ziel führt. Etwa 200m vor der Ausfahrt sehe ich schon ganz viele Verkaufsbuden direkt am Straßenrand ... wo ist die Ausfahrt? Shit, die gibt es nicht mehr, sie ist mit Leitplanken gesperrt. Na, super!

Wir nehmen die nächste Möglichkeit und fahren raus, das Plaza Vea liegt rechts von uns und ist gut zu erkennen, aber wir dürfen nicht mehr rechts abbiegen ... Einbahnstraße! Okay, dann fahren wir halt links, dann rechts, rechts und rechts ... irgendwie kommen wir schon auf den Vea Parkplatz! Die erste rechts ist noch okay und mündet in eine breite Asphaltstraße, die nächste rechts sieht ebenfalls gut aus, aber bei der dritten rechts erwischt es uns dann: Sandstraße, einspurig durch eine fies aussehende Häusergegend, alle 20 Meter eine tiefe Kuhle im Sand ... armer Winnietwo ... hoffentlich holen wir uns hier keinen Reifenschaden. Helen is not amused either!!! Wir rumpeln gut 400m durch diese Straße.

Unten geht es wieder rechts auf die Einbahnstraße zum Vea. Wo ist der Parkplatz? Ah, da ist die Einfahrt ... shit, es ist ein Parkhaus! Aber das Schild sagt zum Glück 4,50m Höhe ... da passen wir rein. Wir ziehen an der Schranke ein Ticket und machen uns auf die Suche nach einer Parklücke. Alles ist proppenvoll! Wir fahren die Schleife bis zum Ende, machen die Biegung ... immer noch keine Lücke. Ich steige aus und gucke, welches Auto als nächstes rausfährt. Vier Männer sind am Einsteigen und signalisieren, dass sie gleich draußen sind. Super! Denn wir bekommen einen Platz unterm Dach, wo es angenehm kühl ist.

Helen bleibt vorsichtshalber bei Winnietwo, während ich Geld hole und den Einkauf mache. Da das Parken trotz Ticket nichts kostet und wir hier gut stehen, machen wir gleich noch unsere Cappuccino-Pause. Wer weiß, wie anstrengend die Fahrt auf der Panam raus aus Lima sein wird.

Gegen 16.15 Uhr verlassen wir das Parkhaus. Nun müssen wir nur noch wieder die Einfahrt zur Panam finden ... ah, da! Helen wurschtelt sich durch Tuc Tucs und Laster durch, aber die Stadtbusse wollen uns partout nicht reinlassen. Sie geben keinen Millimeter Platz ab. Würde unsere Hupe funktionieren ... was sie leider nicht tut!!! ... dann würde Helen jetzt auf dem Dauerhorn stehen, damit uns endlich jemand den Vortritt lässt. Irgendwann schaffen wir es dann aber doch ... erstaunlicherweise ohne eine Delle zu bekommen! Ungelogen, fast jedes Auto und jeder Bus hier hat entweder eine eingerammte Seite oder hinten funktionieren die Lichter nicht mehr. Survival of the fittest!!!!

Einige Kilometer weiter fährt eine Raupe auf der Panam ... im Schneckentempo und hält rechts den ganzen Verkehr auf. Helen sieht das schon von weitem und geht links rüber, um die Raupe zu überholen. Damit auch ja nicht wieder jemand unseren Weg versperrt, drückt sie aufs Gaspedal ... mir bleibt schon wieder die Luft weg, denn ich sehe, wie die Raupe nach links ausschert. Helen steht immer noch auf dem Gas und wir sind fast auf gleicher Höhe mit der Raupe ... ich sehe vor mir nur die Schaufel immer weiter nach links gehen ... Holy Shit!, schreie ich ... um Millimeter verpassen wir den Zusammenstoß! Ich bekomme schon wieder einen Schweißausbruch ... und dieses Mal hat es absolut nichts mit den Wechseljahren zu tun!

Mit zunehmender Strecke wird die Panam zum Glück leerer, rechts und links von der Straße hören die vielen Armenviertel an den Hängen auf, wir kommen wieder in die Wüste ... puh, Lima liegt hinter uns! Geschafft! Super gemacht, Helen! Ich atme langsam wieder durch und entspanne mich. Es geht den Hügel an der Küste hoch und eine Nebenbank rollt über uns hinweg.

Ein paar Kilometer weiter sehen wir am Straßenrand Erdbeerstände. Beim letzten halten wir an. Die ältere Dame kommt schon mit einer großen Kiste angerannt. 10 Soles will sie für 3 Kilo haben - das sind umgerechnet etwa 3 EURO. Wir schlagen zu. Erdbeeren im November - frisch gepflückt vom Felde - ein Traum!

Ich mache hinten die Schiebetür auf, um mir eine Plastiktüte zu holen, denn die Holzkiste will ich nicht haben. Die landet nur im Müll und die alte Dame kann sie bestimmt wiederverwenden. Sie ist jedoch gar nicht begeistert von meiner Umfüllaktion und gibt mir zu verstehen, dass die Erdbeeren dadurch nur matschig werden. Egal, wir essen sie eh heute Abend und morgen. Helen kramt das Geld raus, wir bezahlen, ich steige vorne mit den Erdbeeren ein und wir fahren weiter.

10 Minuten später schaut Helen links in den Seitenspiegel und sieht was Schwarzes an Winnietwos Seite flattern. Sie guckt nach hinten und ich höre nur: Holy shit, our door is open! Was? Tatsächlich, ich habe total vergessen die Schiebetür wieder zu schließen. Wir sind gute 10km mit offener Tür gefahren!!! Kein Wunder, dass die Leute am Straßenrand dachten, wir wären ein Kleinbus - sie hoben die Hände, damit wir sie mitnehmen. Ich habe noch fröhlich zurück gewunken und mit den Achsel gezuckt. So viele Leute können wir nicht mitnehmen!

Helen fährt rechts an, ich steige mit einem Lachkrampf aus und schmeiße die Tür wieder zu. Uns stehen die Tränen in den Augen und wir lachen uns tot. Nach all dem Stress im Stadtverkehr von Lima, jetzt auch noch so eine Aktion. Erstaunlicherweise ist während der Fahrt mit offener Tür nichts rausgeflogen.

Wir rollen weiter gen Norden und langsam geht die Sonne unter. Oh, oh ... bis zu unserem geplanten Übernachtungsstopp werden wir es heute nicht mehr schaffen. Ich starte die iOverlander App und suche nach einer Alternative. Leider gibt es ausgerechnet für diese Region eine ganze Menge Einträge mit Warnungen zu bewaffneten Raubüberfällen. Eine Tankstelle in 30km bietet sich an.

Es wird dunkel und die Panam führt durch kleine Dörfer. Am Straßenrand stehen Schilder, die auf Topes hinweisen - schlafenden Polizisten oder auch kleine Betonerhebungen, die den Verkehr verlangsamen sollen. Wir sehen keinen beim ersten Schild, wir sehen keinen beim zweiten Schild ... kommt da überhaupt einer? JAAAA!!! Helen macht in aller letzter Sekunde eine Vollbremsung! Hinten fliegen unsere beiden Schalen mit dem dreckigen Geschirr nach vorne ... es scheppert gewaltig! Holy Cow, das war knapp!!! Wir fahren langsamer. Es sind kaum noch Autos in unsere Richtung unterwegs. Hier und da macht Helen das Fernlicht an und per Zufall sehen wir dadurch ein Tuc Tuc, das ohne Licht auf dem Seitenstreifen fährt!

Wir nähern uns der Tankstelle, aber die sieht total klein und nicht gerade vertrauenswürdig aus. Shit! Inzwischen ist es stockdunkel und eigentlich fahren wir dann aus Sicherheitsgründen nicht mehr, aber nun sind es nur noch 30km bis zu unserem ursprünglichen Übernachtungsplatz und es gibt nicht mehr viel Verkehr auf der Straße. Helen traut sich zu auch noch die letzten Kilometer zu fahren, damit wir wenigstens ruhig und sicher schlafen können.

30 Minuten später biegen wir von der Panam nach Barranca ab, unser Stellplatz liegt am Meer und wir müssen mitten durch den Ort. Die Straßen sind voller Menschen und Tuc Tucs und alle Ampel sind in unsere Fahrtrichtung ausgefallen. Das scheint die Einheimischen nicht zu stören, sie gucken einfach auf die Ampeln für den Kreuzverkehr. Geht die auf Rot kann man fahren. Wir haben zum Glück immer jemanden vor uns und folgen einfach.

Unser Stellplatz ist ein Platz oben auf den Klippen - eine Art breite Sackgasse. Nach einigem Hin- und Hergekurve stellen wir uns an den Rand unter eine Laterne. Laut iOverlander soll hier nachts die Polizei patrouillieren. Bevor wir hinten einsteigen können, muss ich erst einmal das dreckige Geschirr aufsammeln, das sich über den gesamten Fußboden verbreitet hat. Eine Tasse Tee zur Entspannung muss jetzt erst einmal her!!!!

Ich muss mich gleichzeitig um die Erdbeeren kümmern, denn nach der Vollbremsung vor dem Tope bin ich aus Versehen auf die Tüte getreten - beim Umdrehen nach hinten, um den Bremsschaden zu ermessen. Wir haben Erdbeermus in der Tüte!!!

Was für ein Tag! Ich schwöre, ich bin um ein paar Monate gealtert. Wer behauptet Reisen ist Urlaub, weiß nicht wovon er redet. Helen bekommt erst einmal eine riesige Umarmung. Wahnsinn, wie die mal eben 323km im größten Stress hinter sich gebracht hat, ohne dass wir eine Delle am Auto haben!

Wir haben nicht mal mehr die Energie zum kochen, es gibt eine Fuhre Erdbeeren und anschließend Vollkornbrötchen mit Philadelphia und Tomate und um 23 Uhr fallen wir erschöpft im Bett.


Horrende Fahrten entlang der Panamericana und durch Lima