02. - 07.12.2019: Cañón Del Pato - Cañón Río Tablachaca - Pallasca - Huanchaco

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02.12.2019: Caraz via Cañón Del Pato zu einem Viewpoint auf der PE-3NA

Wir werden von der Hitze im Fahrzeug geweckt - draußen scheint die Sonne!!!! Heute fahren wir definitiv aus Caraz ab und wollen uns eigentlich etwas sputen. Wie immer muss aber noch der Abwasch gemacht und das Klo entleert werden. Außerdem muss ich noch das Kabel vorne am Sicherungskasten wieder einstöpseln, Helen will die Fensterscheiben alle putzen usw. Und natürlich bleibe ich obendrein beim Schnacken mit anderen Campern hängen. Brady und seine Freundin sind ebenfalls wach und wir tauschen noch eine Weile lang gute Tipps aus, denn die beiden fahren nach Süden, wir nach Norden, wo sie gerade her kommen.

Helen macht inzwischen das Frühstück. Am Ende ist es dann mal wieder 11.45 Uhr bevor wir vom Acker kommen. Es scheint immer noch die Sonne, aber dicke Wolken ziehen langsam auf. Trotzdem super Wetter für unser heutiges Abenteuer. Vorab habe ich schon viel über den Cañón Del Pato gelesen. Die ehemalige Eisenbahnstrecke ist berühmt berüchtigt unter Autofahrern, denn es geht durch mehr als 50 enge Tunnel und die Straße ist zum großen Teil einspurig. Sie beginnt nur wenige Kilometer nördlich von Caraz und ist heutzutage zum Glück geteert. Vor 4 bis 5 Jahren war es noch eine reine Schotterstrecke.

Die Fahrt geht durch eine schmale Schlucht immer am Río Santa entlang - nichts für schwache Nerven, sage ich nur. Vor jedem Tunnel wird ausdrücklich per Verkehrsschild darauf hingewiesen, dass man laut hupen soll. Tja, leider geht unsere Hupe nicht - die hat noch nie funktioniert! Wir haben also beide Fenster vorne runter und ich schreie laut "BEEP, BEEP!!!!" ehe es in das dunkle Ungewiss geht. Man hofft einfach nur, dass einem nicht gerade ein anderes Fahrzeug entgegen kommt. Der Verkehr hält sich zur Mittagszeit aber zum Glück in Grenzen. Ein dicker Laster kommt uns entgegen, ein Tuk Tuk und ansonsten fahren die meisten in die gleiche Richtung wie wir. Viele davon sind Peruanische Touristen, die genau wie wir den ein oder andern Fotostopp einlegen.

Die Straße ist wirklich unglaublich. Sie windet sich um enge Kurven, der Abgrund auf meiner Seite ist schwindelerregend - locker fast senkrechte 30 bis 50 Meter bis zum Fluss runter. Die Fahrbahn gerade mal breit genug für unsere Reifen! An einigen Stellen war der Asphalt und die Böschung schon weggebrochen - mir stockt der Atem! Über uns die senkrechten Berghänge und die Tunnel sind auch nichts für mich - Platzangst und ständig der Gedanke: Hoffentlich gibt es jetzt nicht ein Erdbeben, dann sind wir platt!

Trotzdem bin ich fasziniert und hänge buchstäblich aus dem Seitenfenster, um alles auf Video festzuhalten. Das ein oder andere Mal steige ich aus, um Helen beim Fahren in oder aus den Tunneln zu filmen. Dann muss ich hinterher joggen - und das in Clogs!!! Drehen kann man auf dieser Straße nämlich nicht, allerdings gibt es ausreichend Parkbuchten, aber alle direkt an der Abbruchkante.

Nach 1,5 Stunden brauchen wir eine Cappuccino-Pause und stoppen kurz vor dem Ort Huallanca. 50 Minuten später fahren wir weiter. Die Straße wird nun breiter und wir fahren durch eine fantastische Berglandschaft mit bunten Hängen voller Mineralien. An einer Stelle hat es einen Erdrutsch gegeben. Zwei Straßenarbeiter räumen gerade mit Schaufeln das gröbste beiseite und wir kommen ohne Probleme durch.

Kurz vor Yuracmarca fängt es dann an zu nieseln. Ein Französisches Wohnmobil überholt uns. Ich hatte mir vorab zwei mögliche Übernachtungsplätze aus iOverlander rausgesucht. Einer davon liegt 700m höher auf der PE-3NA - einer Bergstraße, die in einen anderen Canyon führt. Von weitem sehen wir schon die vielen Serpentinen am steilen Berghang. Oh, oh ... ja oder nein? Hmmm ... mal sehen, ob die Straße geteert ist.

Wir kommen an die Abzweigung ... und ja, die Straße ist geteert. Spontan entschließen wir uns die Serpentinen hoch zu fahren. Wir haben Zeit, denn es ist nur 15.30 Uhr. Aber schon nach der ersten scharfen Kurve zweifeln wir an unserer Entscheidung. Winnietwos Vorderachse knackt enorm in den engen Kurven und der Berghang sieht alles andere als sicher aus. Die Straße - einspurig!!! - windet sich an einer Bergflanke hoch, deren Material aus losem Sand und Geröll besteht. Von festem Granit kann hier keine Rede sein!!! Diverse Male ist der Straßenbelag um mehrere Zentimeter abgerutscht, die Straßenbegrenzung ist durch Erdrutsche weggespült worden, im Asphalt klaffen große Löcher, die engen Kurven sind nur noch aus Schotter ... mir stehen die Schweißperlen auf der Stirn. Helen muss hoch konzentriert sein, um ja nicht von der Strecke abzukommen. Wenn jetzt ein Erdrutsch passiert, sind wir tot!

Vom Fluss geht es tatsächlich fast senkrecht 700 Höhenmeter hoch. Mit jeder Biegung bekomme ich mehr Bauchschmerzen. Boah, sieht das gefährlich aus! Und Winnietwos Vorderachse knackt mehr und mehr. Schaffen wir das überhaupt morgen hier wieder heil runter zu kommen?

40 schweißtreibende Minuten brauchen wir, um am Übernachtungsplatz nahe des Dorfes La Pampa anzukommen. Dieser ist zum Glück nicht direkt an einer steilen Bergflanke, sondern befindet sich auf einem kleinen Plateau, dass einigermaßen stabil aussieht. Einen Erdrutsch wird es hoffentlich über Nacht nicht geben. Und wir sind nicht direkt neben der Straße. Ein echt guter Platz! Leider nieselt es immer noch und der Blick in die tiefe Schlucht ist bestimmt bei strahlendem Sonnenschein viel besser.

Unser Übernachtungsplatz nahe des Dorfes La Pampa - 360° Panorama
(mit gedrückter Maus über das Panorama fahren oder auf die Pfeiltasten klicken)


Dennoch gibt es tolle Fotomotive hier oben, denn wir sind umringt von verschiedenen Kakteenarten. In unseren Hauslatschen gehen wir auf eine Erkundungsrunde. Oben auf dem kleinen Hügel trifft uns dann aber der Schlag ... eine riesige Müllhalde tut sich vor uns in dieser fantastischen Natur auf. Weiter unten im Tal sehen wir ein Dorf und scheinbar wird hier oben der ganze Plastikmüll, Konservenbüchsen, Glasflaschen usw. einfach in die Natur geschmissen. Wir sind entsetzt! Ein kaputtes Klo liegt rum, ein großer Luftfilter ... wo man nur hinguckt MÜLL!!! Schrecklich! Zum Glück stinkt es aber nicht.


Aufregender Cañón Del Pato und zur Krönung des Tages noch eine Todesstraße obendrauf!

Wir entspannen uns anschließend bei einer Tasse Tee. Ich koche ein paar Nudeln, die anschließend mit viel Gemüse und Knoblauch noch einmal angebraten werden. Es ist total ruhig hier oben. Hoffen wir einfach mal, dass morgen früh die Sonne wieder scheint, denn der leichte Regen begleitet uns den ganzen Abend. Bloß jetzt nicht wieder an Erdrutsche oder ähnliches denken ... sonst bekomme ich heute Nacht kein Auge zu.

Ein richtig toller Tag! Aber ob man sich diesen Wahnsinn auf diesen gefährlichen Straßen wirklich antun muss ... ich beurteile das mal in ein paar Tagen, wenn wir hoffentlich wieder auf leichteren Strecken unterwegs sind.

03.12.2019: Vom Viewpoint auf der PE-3NA entlang des Río Tablachaca bis nach Pallasca

Irgendwann in der Nacht hat es tatsächlich aufgehört zu regnen und heute morgen ist schon wieder etwas blauer Himmel zu sehen und es ist trocken. Wir verlassen um 10.30 Uhr unseren Platz auf dem Plateau und fahren die 14 Kilometer wieder bis zum Río Santa runter. Die 700 Höhenmeter und unendlichen engen Serpentinenkurven sind genauso aufregend wie gestern bei der Hochfahrt, aber zum Glück herrscht wenig Gegenverkehr und unsere Vorderachse knackt auch deutlich weniger. Wir vermuten, dass das Problem doch die Antriebswelle und nicht die Achsengelenke sind.

Heute steige ich mehrfach aus und mache Videos von Helen und Winnietwo. Das bedeutet natürlich auch, dass ich dann anschließend gut 200m hinterher traben muss - und das in meinen Clogs! Aber wenigstens geht es bergab! Pust! Hechel! Ohne großen Zwischenfall erreichen wir nach gut einer Stunde und 10 Minuten unten wieder die Abzweigung am Río Santa. Wir biegen rechts ab und fahren den Rest des Cañón Del Pato entlang.

Kurz vor Chuquicara geht die PE-3N nach Norden ab. Die Fahrt entlang des Río Tablachaca auf der zunächst geteerten Straße ist spektakulär. Debbie und Garry, das Paar aus Südafrika, das wir auf dem Campingplatz in Caraz getroffen haben, gaben uns den Tipp auf der AN-100 durch den engen Canyon zu fahren - dieser soll noch schöner als der Cañón Del Pato sein.

Kurz vor den Ruinen von La Galgada trennen sich die PE-3N und die AN-100. Die PE-3N geht im Zickzack die Berge rechts hoch und ist asphaltiert, die AN-100 ist unbefestigt, aber in einem super Zustand. Sie fährt sich fast zu gut wie Asphalt und geht immer am Fluss entlang.

Bei den Ruinen von La Galgada machen wir unsere Cappuccino-Pause. Während Helen das Wasser aufsetzt, kraxle ich mit den Clogs den kleinen Hügel hoch, um ein paar Bilder von einer der ältesten Ruinen Perus zu machen. Laut Schild stammen die Überbleibsel aus der Zeit 2000 bis 2400 vor Christus. Viel ist nicht zu sehen - lediglich ein paar eingefallene Mauern und Schächte.

Die anschließende Fahrt entlang des Tablachaca Flusses ist jedoch spektakulär. Es geht an bunten Felsflanken vorbei, die Hänge bestehen aus verschiedenen Mineralien. Ortschaften gibt es fast keine. Die einspurige Straße ist an einigen Stellen regelrecht aus den Felsen geschlagen worden, immer wieder rufen wir laut "BEEP, BEEP", denn hier und da kommen uns andere Fahrzeuge entgegen. Nicht ein einziges Auto ist in die gleiche Richtung wie wir unterwegs und das kommt uns ein wenig Spanisch vor.

30km von der Abzweigung mit der PE-3N ist es dann vorbei mit der gemütlichen Fahrt entlang des Flusses, denn es geht in steilen Serpentinen nach Pallasca hoch. Unser GPS zeigt uns knappe 24km bis zu dem kleinen Ort oben in den Bergen an. Das sollte doch wirklich kein Problem sein, oder?

Aber keine 15 Minuten nachdem wir die Oase Sacaycacha passiert haben, stoppen uns Bauarbeiten auf der Strecke. Ein Wasserwagen lässt seine Ladung in einer Kurve ab und macht den ganzen Boden sehr matschig für die Durchfahrt. Oh, shit! Hoffentlich rutschen wir da nicht weg! Wir müssen sogar noch gute 200m wieder rückwärts fahren, damit der Wasserwagen an uns vorbei kommt. Dann dürfen wir die Baustelle passieren. Mir stehen leicht die Schweißperlen auf der Stirn, denn die Straße ist nicht viel breiter als Winnietwo und links geht es steil den Abgrund runter. Aber zum Glück rutschen wir nicht und Winnietwo kommt ohne Probleme durch. Puh!

Inzwischen sind allerdings dunkle Wolken aufgezogen und es fängt an zu regnen. Die schmale Fahrbahn wird immer nasser und wir winden uns die engen Kurven hoch. Mit Umdrehen ist jetzt nichts mehr - es gibt einfach keinen Platz dafür. So langsam wird uns klar, warum keiner in unsere Fahrtrichtung unterwegs ist. Wir haben keine Ahnung, wie hoch Pallasca eigentlich liegt, aber mit jeder Kurve wird der Abgrund ein Stückchen höher für uns.

Helen muss sich höllisch konzentrieren! Wir kommen immer langsamer voran. Es ist bereits 17 Uhr, in gut 1,5 Stunden wird es stockdüster sein und auf dieser Strecke im Dunkeln zu fahren ... bitte, bitte nicht! Uns wird bei dem Gedanken schon ganz schwindelig! Und nun rollen die ersten Wolken auch schon über uns rüber und es wird immer nebliger. Shit, shit, shit!!!

Weiter oben geht die Straße dann überraschend in Asphalt über, aber es handelt sich hier um einen sehr alten Belag mit unglaublich vielen großen Schlaglöchern. Da wir nur wenige Zentimeter neben dem Abgrund fahren, bleibt Helen nichts anderes übrig als durch die Schlaglöcher zu fahren ... wir können ihnen kaum ausweichen, denn die Alternative - nämlich der Absturz aus inzwischen über 1500 Höhenmetern - ist ganz sicher keine Option für uns.

Wir passieren den kleinen Ort Nuevo Llaymucha auf 2400m Höhe und ich denke schon, dass wir jetzt das Gröbste hinter uns haben, aber da liege ich leider total daneben! Inzwischen ist die Straße wieder aus Schotter und wir müssen ständig rauf und steil wieder runter. Winnietwo steht voll auf der Bremse und dann heißt es wieder Vollgas geben, um die steileren Stücke hoch zu kommen auf dem matschigen Boden.

Kurz vor Pallasca gabelt sich auf einmal die Straße. Links geht eine asphaltierte Straße nach unten ab, unser GPS sagt aber wir müssen weiter gerade aus auf der Schotterstraße. Es geht weiter den Berg hoch - inzwischen sind wir auf 3000m angelangt. Wir kommen um eine Kurve und vor uns ist die Straße mit Geröll und Wasser überschwemmt - es geht durch einen kleinen Flusslauf. Direkt dahinter steil den Berg hinauf - die Steigung ist locker 35 bis 40%. Schaffen wir das hier überhaupt? Helen hält an und wir beraten die Lage. Umkehren bei dem Wetter und zu so später Zeit ... ganz bestimmt nicht! Es bleibt uns nichts anderes übrig ... wir müssen es einfach versuchen! Augen zu und durch ... der arme Winnietwo wackelt über das Geröll und durchs Wasser - wir schraben über diverse Steine, kommen aber durch. Dann ist es gleich in der nächsten Kurve direkt vor dem steilen Anstieg total matschig. Helen gibt Gas, Winnietwo schlittert leicht, schafft aber auch diese Hürde. Erster Gang ist drinnen und Helen drückt auf das Gaspedal. Zum Glück ist der Anstieg aus Schotter und nicht Matsch und Winnietwos Reifen finden Griff. Erstaunlicherweise kommen wir ohne Probleme hoch ... puh!

Jetzt sind es nur noch ein paar wenige Serpentinen und dann sollten wir in Pallasca sein. Es wird langsam sehr dunkel. Vor dem Ort begrüßt uns um 18 Uhr ein Stadttor - davor eine große, braune Pfütze, aber auch die schaffen wir. Laut GPS sollen wir irgendwo links abbiegen, aber ein Blick reicht und wir fahren gerade aus weiter. Die Straße links ist nämlich ein super steiler Kopfsteinplasterweg, den man nur zu Fuß bewältigen kann. Wir folgen der breitesten Straße und kommen ins Ortszentrum. Zwei Männer stehen am Straßenrand und ich frage sie, wo wir denn am besten hier im Ort parken können. Die Antwort ist der Plaza, den wir nach einer weiteren Rechtsbiegung erreichen. Hier gibt es tatsächlich ausreichend Parkplätze, denn nur wenige Fahrzeuge trauen sich überhaupt in dieses Dorf. Aber kommen wir hier morgen überhaupt raus?

Wir sind total gestresst! Die letzten beiden Stunden waren der Horror! Kurz vor Pallasca fing mein rechter Arm an zu surren. Ich dachte erst, dass kommt vom krampfhaften Festhalten der Kamera, aber nein ... kaum stehen wir still, bekomme ich starkes Kribbeln in beiden Händen. Oh, shit ... ich hyperventiliere!!!

Das ist mein vierter oder fünfter Anfall in meinem Leben, ich erkenne die problematische Situation sofort und halte mir die Hände vor die Nase. Bei meinem ersten Anfall mit 29 Jahren bin ich damals fast ums Leben gekommen. Ich hatte einen Lungenvirus, habe den aber im damaligen Berufsstress gar nicht so wahrgenommen, denn Anfang Januar sollte ich nach New York zu einer Apple Expo fliegen. Am Tag vorher war ich noch tierisch im Stress in der Firma, um alle Präsentationen fertig zu bekommen. Ich hatte einen wahnsinnigen Husten und ich konnte damals sogar das Wabern meiner Lungen spüren. Mein Kollege gegenüber wurde immer besorgter und meinte dann irgendwann, dass ich nach Hause gehen und mich mit Aspirin zustopfen soll, damit ich am nächsten Tag überhaupt den lange Flug überstehe.

Meine Firma lag 5 Minuten mit dem Fahrrad von meiner Wohnung entfernt und auf dem Weg bin ich noch schnell in die Apotheke gefahren, um mir Aspirin zu holen. Zuhause hatte ich dann keine Kraft mehr das Fahrrad in den Keller zu schleppen, denn ich habe kaum noch Luft bekommen. Arme und Beine haben gekribbelt wie wild und ich habe mich erst mal mit samt Klamotten aufs Bett geschmissen, um mich zu beruhigen. Aber dann fing das Kribbeln auf den Wangen an und meine Arme und Beine verkrampften sich immer mehr. Man bekommt einen Froschmund und versucht verzweifelt zu atmen. Beim Hyperventilieren atmet man mehr ein als aus, dadurch entsteht ein Überschuss an C02 im Körper und die Muskeln brauchen immer mehr Sauerstoff. Ein Teufelskreis, der im Extremfalle zum Tod führen kann. Bei mir war das so, dass ich schnell gemerkt habe, dass hier was ganz gewaltig nicht stimmt. Mit letzter Kraft habe ich mich ins Wohnzimmer geschleppt und meine Eltern angerufen. Zum Glück war mein Vater zu Hause und hat mich erkannt, ich konnte nämlich gar nicht mehr richtig sprechen. Damals gab es noch keine Caller-ID und ich habe alleine gelebt. Am Ende hat mich dann in letzter Sekunde der Notarzt gerettet. Das Ganze ist noch heute für mich ein echtes Trauma und wenn ich merke, dass ich anfange zu hyperventilieren, dann versuche ich vor allem eine Panik zu vermeiden, denn die verschlimmert alles.

Man muss sich was vor die Nase halten, um sein eigenes C02 einzuatmen, damit das Gleichgewicht zwischen Sauerstoffzufuhr und C02-Ausatmung wieder stimmt. Meine Hände reichen an diesem Abend nicht und Helen reicht mir eine Plastiktüte (Papiertüte wäre besser, aber die haben wir leider nicht). Nach 20 Minuten hört zum Glück das Kribbeln auf und ich kann mich wieder voll entspannen. Boah, die letzten beiden Tage haben mich und auch Helen 10 Jahre unseres Lebens gekostet. Solche gefährlichen Abenteuer brauchen wir nicht! Und morgen müssen wir hier irgendwie wieder raus und runter.

Ich ziehe mir was warmes an, denn hier oben herrschen nach Sonnenuntergang nur noch 15°C ... brrrr. Zu Fuß schaue ich mir an, wo denn hier eigentlich in diesem engen Dorf die Ausfallstraßen sind. Am Plaza kommen Reisebusse und Laster an und die müssen ja auch irgendwie durch die engen Straßen kommen. Aber wo? Ich frage ein paar Einheimische und erfahre, dass die Straße Richtung Cajamarca sehr steil runter und dann wieder hoch geht und "Pista" sein soll - was ich als Piste und nicht als Asphalt interpretiere. (Tage später lerne ich allerdings, das Pista hier in Peru doch Asphalt bedeutet!) Bei Regen kann es auch sehr gut sein, dass Teile der Strecke wegen viel Wasser in den Bachläufen nicht passierbar sind. Oh, oh! Und wie ist es auf der PE-3N, die uns wieder runter zum Río Tablachaca, aber auf der mehr befahrenen Strecke, bringt? Zwei Bewohner des Dorfes bestätigen, dass sie asphaltiert ist und kein Problem sein sollte. Okay, und wo genau kommen wir hier aus dem Dorf raus? Bei solchen Fragen bekommt man hier in Südamerika immer ein vages Handzeichen, was so viel heißen soll, wie Derecho, Derecho ... geradeaus. Es könnte aber auch rechts und dann geradeaus gemeint sein ... seufz! Also laufe ich weiter und sehe mir alle möglichen Straßen an. Die Straßen sind hier wirklich monstersteil und sehr eng und die nassen Pflastersteine sehen auch sehr rutschig aus. Das könnte morgen früh kritisch werden für uns hier überhaupt wieder rauszukommen.


Von einer Todesstraße zur nächsten! Angstschweiß ohne Ende!!!

Na ja, jetzt versuchen wir uns einfach mal zu entspannen. Wir kochen uns mehrere Tassen Tee und machen ein leckeres Panaculty zum Abendessen. Anschließend fallen wir todmüde ins Bett und verbringen eine recht ruhige Nacht am Plaza. Erstaunlicherweise schlafen wir beide trotz der Höhe und des Stresses tief und fest - muss die totale Erschöpfung gewesen sein!

04.12.2019: Pallasca via Tauca zurück zum Río Tablachaca

Morgens scheint die Sonne - super! Nach dem Frühstück laufen wir noch einmal die beste Strecke für die Rausfahrt aus Pallasca ab, um sicher zu gehen, dass wir alle möglichen kritischen Ecken im voraus kennen. Der Ort ist wirklich sehenswert! Völlig untouristisch mit sehr schönen alten Häusern und sehr netten Indigenen Einwohnern. Man merkt, hier kommen nicht sehr viele Touristen her - zumindest keine ausländischen!

Gegen Mittag fahren wir ab - unser nächstes Abenteuer beginnt! Laut den Aussagen von den Einheimischen ist die PE-3N in Richtung Tauca ab dem Stadttor hinter dem nächsten Hügel von Pallasca geteert. Wir schaffen es ohne Probleme aus Pallasca raus und fahren in engen Serpentinen höher und höher - bis auf über 3400m. Komisch! Sollte es nicht runter gehen? Die Straße ist unbefestigt, auch hinter dem Stadttor, aber recht gut zu befahren.

Wir durchfahren das kleine Dorf Inaco - die Straßen sind eng, aber unser GPS weist uns in die richtige Richtung. In Huacaschuque versperrt uns ein Laster am Hauptplatz den Weg, also fahren wir einmal um den Platz herum. Ich sehe, dass die Hecken schon wieder sehr fotogen geschnitten sind und steige für ein paar Bilder aus.

Nun geht es an den Bergflanken entlang rauf und runter. Die Straße ist überwiegend einspurig, aber es gibt nur wenig Verkehr. Die Blicke runter in die Täler sind genial - es ist alles so wunderschön grün hier und die Einheimischen leben vom Ackerbau - idyllisch!

Wir rollen stetig weiter auf der unbefestigten Straße - wann kommt den endlich der Asphalt? Helen muss sich konzentrieren, denn viele der engen Serpentinenkurven kann man nicht einsehen. An einer Stelle müssen wir sogar durch einen Bach - zum Glück ist der nicht besonders tief und der Untergrund ist steinig. Ich steige extra vorher aus und durchlaufe ihn in meinen Clogs ... brrrrr, das Wasser ist eisig kalt!

Kurze Zeit später erreichen wir den Ort Huandoval. Die Straßen sehen vor dem Ort matschig aus und wir kommen an eine Gabelung ... rechts oder links ... hmmmm? Zwei Straßenarbeiter geben uns den Rat auf der unteren - sprich rechten - Route durch den Ort zu fahren, was wir dann natürlich auch machen. Keine Hundert Meter weiter hat jemand einen ganzen Haufen Erde mitten auf die Straße gekippt und wir müssen da durch - links ein tiefer Wassergraben, in dem wir wahrlich nicht hängen bleiben wollen. Durch den Regen ist der Erdhaufen nass und rutschig. Helen fährt vorsichtig drüber, wir rutschen hinten mit den Reifen leicht weg, aber Winnietwo schafft diese Hürde ohne weitere Probleme.

Im Ort sind die Straßen aus Kopfsteinpflaster. Da Huandoval an einem Berghang liegt, geht es steil rauf und runter. Unser GPS zeigt uns eine Route, aber die Straßen sind entweder zu steil oder zu eng für uns, also folgen wir der breitesten Straße durch den Ort, sie wird uns hoffentlich auf die anders Ortsseite und wieder auf die PE-3N bringen. Wir müssen irgendwann scharf links rum und sehen, dass ein dicker Laster die ganze Straße blockiert. Er wird beladen und das kann dauern. Kein Durchkommen für uns!

Ich steige aus und suche eine Alternativroute. Inzwischen hat es angefangen zu nieseln und ich laufe in Shorts, T-Shirt und Clogs rum. Es dauert eine Weile, bis ich die beste Route für uns gefunden habe. Manche Straßen sind extrem steil und da kommen wir auf den nassen Kopfsteinpflaster nicht hoch. Andere münden in den Dorfplatz, dieser ist aber an einigen Seiten von tiefen Wassergräben umgeben und da würden wir voll mit den Reifen drin stecken bleiben. Nach 20 Minuten Suche habe ich aber einen Weg gefunden.

Helen packt den Rückwärtsgang rein und wir rollen ein paar Straßenblöcke zurück. Die Straße hoch zum Hauptplatz ist steil, aber machbar. Leider versperren uns aber zwei angebundene Esel den Weg. Ich suche nach den Besitzern und eine Frau bindet die Esel los und zieht sie durch ihre Haustür! Der Weg für Winnietwo ist frei, Helen nimmt die Kurve und fährt dann mit Vollgas hoch. Ich stiefle hinterher. Dann müssen wir ein paar Mal rechts und gerade aus. Ein entgegenkommender Lasterfahrer hat keine Geduld und zwingt uns ihn vorbei zu lassen. Aber dann haben wir es endlich geschafft ... wir sind raus aus dem Dorf. Puh!

Wir setzen die Fahrt fort - immer noch auf Schotter. Es geht stetig rauf und runter zwischen 2500 und 3500 Höhenmetern. Kurz vor Cabana fängt dann endlich der Asphalt an - von Pallasca aus sind das etwa 37km. Hört sich eigentlich nach nichts an, aber für diese Strecke haben wir nun 2,5 Stunden gebraucht. Am Anfang ist der Asphalt nur stellenweise, zwischendrin gibt es immer wieder kleine Abschnitte mit Schotter, aber nach Cabana ist die Straße dann voll asphaltiert, wir atmen sichtlich auf. Armer Winnietwo - die Vorderachse macht immer noch laute Geräusche beim Hochfahren!

Wir machen erst einmal unsere Cappuccino-Pause. Helen und Winnietwo müssen sich entspannen. Dann geht es weiter nach Tauca und die Straße führt uns nochmals auf 3300m hoch. Tauca liegt auf dem Scheitel eines Berggrades. Wir passieren den Ort nur, denn uns läuft die Zeit ein wenig weg. Es ist bereits 16.35 Uhr und wir haben nur noch etwa 2 Stunden Tageslicht für die restlichen 54km runter bis zum Río Tablachaca.

Die Ausblicke von Tauca in die umliegenden Täler und auf der anschließenden Abfahrt wären toll gewesen, aber aus dem nichts heraus fahren wir in eine dicke Nebelsuppe. Wir können kaum die Hand vor den Augen sehen. Jetzt fahren wir endlich entspannt auf dem zweispurigen Asphalt und dann kommt gleich die nächste anstrengende Hürde angerollt. Shit!

Aber auch die meistern wir mit Bravour - im Vergleich zu gestern ist das hier heute ein echter Klacks! Helen entdeckt mitten auf der Fahrbahn eine große Tarantel und ich steige aus, um ein Foto zu machen. Die entgegenkommenden Autofahrer haben nur Augen für mich in meinen kurzen Shorts und fahren fast die Tarantel tot, obwohl ich wild Handzeichen gebe!!! Männer!!!

Kurz vor der Dunkelheit haben wir endlich die vielen Serpentinenkurven hinter uns und erreichen wieder die Abzweigung unten am Río Tablachaca. Wir finden innerhalb von wenigen Kilometern einen sehr guten Stellplatz für die Nacht, etwas weg von der Straße hinter einem Kieshaufen und atmen erst einmal ganz tief durch. Die letzten drei Tage haben uns 10 Jahre unseres Lebens gekostet!!! Das war ehrlich gesagt eine Nummer zuviel Abenteuer für uns. Was hätte alles passieren können?! Wir versprechen uns gegenseitig, solche Risiken nicht mehr einzugehen, aber wer weiß, was uns noch alles in den Bergregionen Südamerikas passieren wird. Man soll ja nie nie sagen!


Und noch eine anstrengende Fahrt mit vielen Hindernissen!

P.S. Monate später bearbeite ich die Videos zu diesen Tagen und bekomme gleich wieder schweißgebadete Hände. Und ja, ich gebe es zu ... ich fluche etwas zu viel auf den Videos, aber das war echt die ganze Anspannung!

05. - 06.12.2019: Río Tablachaca via Trujillo nach Huanchaco

Unser nächtlicher Stellplatz am Río Tablachaca - 360° Panorama
(mit gedrückter Maus über das Panorama fahren oder auf die Pfeiltasten klicken)


Am nächsten Tag strahlt die Sonne vom Himmel - total unschuldig! Als wenn es keinen Regen und Matsch auf den von uns gerade gefahrenen Todesstraßen gegeben hätte! Dieses Mal können wir die Fahrt aus dem Tablachaca Canyon und durch die restlichen Kilometer vom Canyon Del Pato richtig genießen. Je dichter wir der Küste entgegen rollen, umso flacher wird es und rechts und links liegen riesige Ackerbaufelder, die vom Río Santa bewässert werden. Fasziniert schauen wir den Reisbauern beim Bearbeiten ihrer Felder mit sehr eigenartigen Maschinen zu.

Nach 95km erreichen wir in Santa wieder den Pan-Amerikanischen Highway. Endlich kann sich Helen beim Fahren wieder entspannen! Kurz vor 16 Uhr parken wir beim Vea Plaza in Trujillo und gehen erst einmal einkaufen. Trujillo ist eigentlich eine Stadt mit sehr schönen Kolonialgebäuden. Wir haben die aber schon 2002 während unserer Kumuka-Tour gesehen und verzichten heute drauf. Wir brauchen einen Tag Entspannung und fahren stattdessen an den Strand von Huanchaco. Dort kommen wir aber erst im Dunkeln an.

In der Nebensaison ist es recht ruhig hier und wir genießen unseren freien Tag mit ein paar Strandwanderungen. Am Pier stehen die berühmten Schilfboote - sehr fotogen!

07. - 08.12.2019: Huanchaco nach Macará, Ecuador

Von der Französischen Familie, die wir in Caraz auf dem Campingplatz getroffen hatten, waren wir ja vorgewarnt, wie gefährlich das freie Stehen an Stränden im Norden von Peru an der Küste sein kann. Deswegen fahren wir anschließend 283km am Stück auf der Panam und stellen uns dann für die Nacht neben das Häuschen für das Sicherheitspersonal, dass die Straße neben einem Elektrizitätswerk bewacht.

Am nächsten Tag geht es direkt weiter bis zur Grenze in Macará, Ecuador. Der Grenzübergang ist total unproblematisch für uns, aber leider nicht für eine ganze Gruppe von Venezolanern. Sie haben zwei Wagenladungen mit Klamotten und elektronischen Artikeln in Peru gekauft, vermutlich Weihnachtsgeschenke für die Familien zuhause in Venezuela. Die Ecuadorianischen Grenzbeamten haben alle Hände voll zu tun, jedes einzelne Paket, jeden einzelnen Beutel und Koffer zu durchsuchen. Wir müssen derweil fast eine Stunde lang warten, bis die Situation geklärt ist.

Dann bekommen wir endlich die Einreiseerlaubnis für unser Fahrzeug und nebenbei mit, wie die Zollregularien für Einfuhrgüter nach Ecuador aussehen. 50% kommen bei bestimmten Artikeln auf den Einkaufspreis drauf und das Geld hatten die Venezolaner offensichtlich nicht. Wir stehen am Schalter und sehen, wie die Beamten einen großen Flachbildschirm, eine Boombusterbox, mehrere Kinderfahrräder, Spielzeug und andere Sachen eingesackt haben.

Unser Campingplatz in Macará liegt nur 9km hinter der Grenze. Es ist ein Hostal mit einem großen Innenhof. Wir finden einen guten Stellplatz direkt neben dem Pool. Mit Strom, WiFi und kalter Dusche zahlen wir ganze 5 US$ pro Nacht für uns beide und Winnietwo. Super!