17.03. - 12.08.2020: Barichara - Corona Lockdown auf dem Guaimaro Campingplatz

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17.03.2020: Barichara

Wir stehen um 7.30 Uhr auf und fahren nach dem Frühstück nach San Gil. Am Ortsausgang von Barichara bemerken wir zwei Polizisten, denken uns aber nichts dabei. In San Gil füllen wir unseren Dieseltank auf, leeren unsere Bordtoilette und machen unseren Großeinkauf im Metro Supermarkt - der Einkaufswagen ist Oberkante-Unterlippe voll, ich habe mal eben für 500.000 Pesos (ca. 130 EURO) eingekauft. Das müsste für 4 Wochen reichen!

In San Gil schien alles normal zu sein, die Läden waren alle wie gewohnt offen, keine Warteschlangen oder ähnliches, die Einwohner hier gingen ganz entspannt ihren Tätigkeiten nach. Null Hinweis auf einen möglichen Lockdown - vielleicht wusste es hier keiner. Die Dame an der Kasse hat mich aber schon ein wenig misstrauisch oder erstaunt angeguckt.

Helen passt während meines Einkaufs auf unser Womo auf, denn die Einfahrt zum Parkhaus ist zu niedrig und wir stehen draußen auf dem Taxistand mit freundlicher Unterstützung der Taxifahrer ... aber man weiß ja nie, ob da nicht mal ein Polizist vorbei kommt.

Im Supermarkt bekomme ich alles außer Limetten, Kuchen und Saft. Deshalb geht Helen noch mal los und klappert andere Läden danach ab. Ich versuche in der Zwischenzeit eine Western Union Überweisung an mich zu machen, aber die dauert Stunden und so stornieren wir das ganze wieder und ziehen Geld aus dem Automaten. Das kostet uns allerdings deutlich mehr Gebühren.

Die Propangas-Abfüllstation ist leider geschlossen, aber wir haben noch gute 10kg in beiden Flaschen. Damit kommen wir noch 6 bis 8 Wochen aus. Es ist bereits Mittag und wir haben richtig Hunger. Ich bestelle eine große Portion Pommes zum Mitnehmen bei einem Restaurant und wir essen die im heißen Auto ... die Sonne brennt ... aber auch bei uns hat bereits ein wenig die Corona Panik eingesetzt und so wollen wir ein mögliches Ansteckungsrisiko in geschlossenen Räumen vermeiden.

Unsere nächste Entscheidung hat uns davor bewahrt, 6 Monate in San Gil festzusitzen! Wir fahren nämlich eine andere Route zurück nach Barichara, die das Stadtzentrum von San Gil und die wichtigen Ein- und Ausfahrtstraßen umkurvt. Ohne unser Wissen sind an diesem Morgen bereits Straßensperren errichtet worden, da Santander, die Provinz, in der wir uns befinden, bereits zwei Tage vor dem nationalen Lockdown alles dicht macht.

Unsere Abkürzung vermeidet diese Absperrungen, aber das finden wir erst heraus, als wir 30 Minuten später von der Polizei am Ortseingang von Barichara angehalten werden. Die Polizisten tragen Maske und Gummihandschuhe und alle werden kontrolliert. Wir sollen an der Seite parken. Durch das offene Seitenfenster erzählt mir der Polizist, dass wir nicht mehr nach Barichara reinfahren dürfen. Für Ausländer ist das Dorf seit heute morgen gesperrt! Como?

Wir sind geschockt und erzählen ihm, dass wir schon seit 2 Tagen im Dorf gewesen und nur noch mal schnell nach San Gil gefahren sind, um uns auf den Lockdown in 2 Tagen vorzubereiten. Außerdem erwarten uns Joep und Julia auf dem Campingplatz. Wir merken, dass der Polizist sehr angespannt ist und Helen sagt ihm, dass wir ganz sicher kein Corona haben und bereits seit 2 Monaten in Kolumbien sind. Wie in anderen Ländern der Welt haben sie hier offensichtlich Angst vor frisch eingereisten Europäern, die das Virus mitbringen. Unsere Aussage entspannt den jungen Mann sichtlich und er erzählt uns, dass seit heute morgen alle Touristen im Dorf jetzt unter Quarantäne stehen und ihr Hotelzimmer nicht mehr verlassen dürfen.

Zum Glück können wir alles in einem einigermaßen passablen Spanisch erklären und zeigen ihm unsere Pässe mit den Einreisestempeln. Aber wie kommen wir jetzt zum Guaimaro Campingplatz, wenn sie uns hier an der Straßensperre nicht durchlassen? Ich rufe Joep auf dem Handy an und bitte ihn mal eben mit dem Polizisten zu sprechen und zu bestätigen, dass wir uns der Lockdown-Situation bewusst sind und uns schon einen sicheren Platz dafür gesucht haben. Wo sonst sollten wir denn jetzt hin?

Nach einem kurzen Wortwechsel zwischen den beiden, bittet uns der Polizist um ein wenig Geduld. Er nimmt unsere Pässe zur Registrierung auf einer Liste mit und kommt dann 15 Minuten später mit der Information zurück, dass in wenigen Minuten ein Polizeimotorrad kommt, dass uns durch den Ort zum Guaimaro Campingplatz begleitet. Wir dürfen im Dorf nicht mehr anhalten und müssen der Eskorte folgen.

Joep informieren wir per WhatsApp über die neue Situation und er wartet schon am Tor auf uns. Der Polizist spricht eindringlich mit Joep, nimmt seine Daten auf und sagt ihm, dass wir den Campingplatz 14 Tage lang nicht verlassen dürfen! Joep ist hiermit verantwortlich für uns! Joep gibt seine Zustimmung und wir legen anschließend den ersten Gang ein, um die steile Sandstraße zum Campingplatz hochzufahren.

Julia öffnet das Tor für uns und wir parken zwischen zwei Bäumen neben dem Wasserhahn und einem Stromposten. Ein schöner Platz, an dem wir es locker ein paar Wochen aushalten können. Es ist bereits 16 Uhr und wir sind erschöpft von den Ereignissen des Tages! Wow, unglaublich, wie schnell jetzt alles gekommen ist. Wir schnacken noch über 2 Stunden im Abstand von 2 Metern mit den Holländern (aber ohne Masken, die hatte noch keiner von uns).

Wir sind aber 6 Personen hier auf dem Gelände, denn Stefan aus Deutschland und seine Freundin Lone aus Belgien arbeiten hier seit 3 Wochen als Workaways. Sie arbeiten 5 Stunden an jedem Wochentag von 7 bis 13 Uhr inklusive Pausen und bekommen dafür eine kostenlose Unterkunft (Zelt) und ein Frühstück. Sie wollten nächste Woche eigentlich weiter nach Mexiko fliegen, aber das geht vermutlich jetzt auch nicht mehr.

Normalerweise könnten wir als Camper hier die Dusche, Toilette und eine Küche benutzen, aber wir sind ja jetzt erst einmal zwei Wochen in Quarantäne. Da Stefan und Lone seit 3 Wochen den Campingplatz nicht verlassen haben, sind sie von einer Quarantäne befreit. Deswegen beschließen wir zu sechst, dass Helen und ich für die nächsten 14 Tage Abstand von den anderen halten, unsere eigene Bordtoilette und Solardusche für draußen benutzen und im Womo kochen, was wir eh immer machen. Joep und Stefan buddeln in den nächsten 2 Tage ein Loch für uns, damit wir darin unsere Toilette entleeren können! Super!

Am Abend entspannen wir uns erst einmal mit mehreren Tassen Tee und einem leckeren Abendessen. Uns brummt der Kopf! Wie schnell das Leben auf den Kopf gestellt sein kann! Von jetzt auf gleich haben wir unsere Freiheit verloren, aber dieses Schicksal teilen wir mit vielen anderen und in den nächsten Wochen und Monaten wirkt sich die Pandemie auf die ganze Welt aus. An diesem Abend gehen wir noch davon aus, dass es sich nur um einige Monate handeln wird. Aber dann wird immer deutlicher, dass wir uns da kräftig getäuscht haben.

18.03. - 12.08.2020: Guaimaro Campground nahe Barichara

Wir haben keine Ahnung, was die Pandemie und die Zukunft so bringen wird. Am 24. März, ab Mitternacht, erklärt Kolumbien eine 19-tägige landesweite Sperrung, um die Ausbreitung von Coronavirus zu stoppen. Zu diesem Zeitpunkt gibt es 378 bestätigte Coronavirus-Fälle und 3 Todesfälle im Land.

Stefan und Lone, die Workaways, beschließen in letzter Minute, nach Deutschland zurückzukehren und bei Stefans Familie zu bleiben. Sie bekommen einen der letzten Flüge von Bogotá nach Deutschland. Bei der Ankunft in Frankfurt darf Lone nicht nach Deutschland einreisen und wird zum Schalter der Brussels Airline begleitet, um einen Flug nach Belgien zu buchen. Was für ein Chaos! Während der Coronakrise getrennt - keine gute Idee! Wer weiß, wie lange das alles dauern wird?

Wir beschließen, so lange in Kolumbien zu bleiben, wie es zusammen mit weiteren 100.000 Ausländern nötig ist. Wir können nirgendwo anders hingehen und haben einen guten Platz gefunden, um alles auszusitzen. Unser 90-Tage Visum ist für den Moment ausgesetzt und Präsident Duque hat bereits angekündigt, dass alle Flughäfen bis mindestens 30. Mai geschlossen sein werden.

Julia und Joep beschließen direkt nach unserer Ankunft Hochbeete für den Gemüseanbau zu bauen. Vielleicht bricht die Versorgung in Kolumbien irgendwann komplett ein, denn der Flugverkehr wird nach und nach weltweit lahm gelegt. Zu sechst machen wir uns an die Umsetzung. Stefan und Lone lesen sich in den Bereich Permakultur ein und pflanzen schon die ersten Gemüsesamen in Eierkartons. Der Anbau hier soll nachhaltig werden.

Joep und Julia planen den Standort und Bau für die Hochbeete. Helen und ich sammeln Kuhscheiße vom Nachbargrundstück ein und legen einen eigenen Komposthaufen mit Kuhscheiße, Laubblättern und Stroh an. Da wir ja Abstand halten müssen, macht das Sinn, denn unsere eigenen Küchenabfälle sollen auch erst einmal nicht in die schon existierenden Kompostbox. Keiner weiß zu diesem Zeitpunkt, ob sich der Virus nicht über solche Sachen überträgt.

Wie haben alle Spaß an diesem neuen Projekt und sind enthusiastisch. Es tut richtig gut beschäftigt zu sein! Wie so viele genießen wir am Anfang der Pandemie den erzwungenen Stillstand. Wir sind in den letzten Monaten viel gereist, unsere Webseite ist auch nicht auf dem aktuellen Stand, unsere Köpfe sind noch voll von den vielen Eindrücken ... eine Pause und die totale Entschleunigung tut uns gut!

Joep erledigt die ersten 6 Wochen unseren Einkauf in Barichara. Es gibt strikte Ausgangsbestimmungen mit einem System, dass sich Pico Y Cedula nennt. Je nach Ausweis-Endnummer darf man einmal die Woche einkaufen gehen. Es sind nur Lebensmittelgeschäfte geöffnet, alles andere ist geschlossen. Alternativ bieten die Lebensmittelgeschäfte Domicilio an - man bestellt per Telefon und bekommt die Waren mit dem TucTuc direkt an die Haustür geliefert.

In Barichara dürfen die Bewohner nur zu dringlichen Zwecken aus dem Haus, wir haben hier jedoch genügend Auslauf und machen Nachmittags unseren Spaziergang über die ehemalige Tabakfarm. Klar kennt man nach ein paar Tagen jeden Meter und jeden Grashalm am Wegesrand, aber zumindest können wir unseren Sport machen, die frische Luft genießen und die Sonne tanken. Vitamin D soll nämlich gegen Corona schützen!

Unsere Internetverbindung ist super und wir können die vielen Nachrichten aus der ganzen Welt täglich verfolgen und leider auch live miterleben, wie der HSV zum zweiten Mal als 4ter der 2. Bundesliga den Aufstieg in die erste nicht hinbekommt. Grrrr ...

Alles in allem verbringen wir fünf interessante Monate auf dem Guaimaro Campingplatz. Aber in der Regenzeit, die dieses Jahr erst sehr spät im Mai angefangen hat, stellen wir fest, dass auf die Dauer vielleicht ein gemietetes Haus besser wäre. Der Rost um unsere Womo-Fenster hat extrem in der hohen Luftfeuchtigkeit zugenommen und das muss zügig gemacht werden, damit wir nicht wieder das halbe Auto voller Rost haben. Deshalb gucken wir uns um und finden ein sehr schönes neues Zuhause auf der anderen Seite von Barichara. Aber dazu mehr im nächsten Bericht.

Da wir einfach nicht alles bis ins Detail hier auf der Webseite beschreiben können, verweisen wir einfach mal auf unsere Corona - Stuck in Colombia Videos, die wir während des Lockdowns gemacht haben. Viel Spaß dabei!

Corona-Pandemie: unsere Reise ist zuende! Drama und Polizeieskorte.

Selbstquarantäne ist vorbei. Lebensmittellieferungen.

Weltweites Online-Konzert. Musik und Sport halten unsere Stimmung hoch!

Helens erster Ausflug nach Barichara nach mehr als 6 Wochen Sperrzeit. Arbeiten an den Hochbeeten.

Zweiter Komposthaufen in Vorbereitung. Die lokale Tierwelt zeigt sich.

Gigantische Ameisen paaren sich in der Luft und das Monster schlägt zu!

Unser örtlicher Gemüseladen in Barichara.

Erster positiver Corona-Fall in Barichara. Unser Lieblingsfußballverein verliert!

Propangas von Flasche zu Flasche umfüllen. Hausgemachte Müsliriegel.

Große Boa im Hühnerstall. Vegane Mousse au Chocolat.

Wir arbeiten weiter an unserem Komposthaufen. Zeit für einen Haarschnitt.

Helens Katastrophengeburtstag. Wir setzen unser Gemüsegartenprojekt fort.

Eigenbau Corona Visier. Erster Einkaufsbummel nach Barichara.

In nur 45 Tagen verwandelt sich unser Kompost in den schönsten Boden. Die Hochbeete sind ebenfalls fertig und werden gefüllt.

Spaziergang um das Grundstück. Mehr lokale Tierwelt.

Erster gemeinsamer Einkaufsbummel. Erste Ernte!

Drei wunderschöne Eulen. Blaubeerpfannkuchen - unser Lieblingsfrühstück.

Unser Lieblingssupermarkt in Barichara. Essen auf Rädern.

Biskuitboden auf dem Gasherd gebacken. Chili sin carne. Falafels. Lecker!

Zweiter Komposthaufen wird angelegt.