13.08.2020 - 30.06.2021: Barichara - Finca Zuasinca

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Am 13. August ziehen wir in unser neues Zuhause ein. Den Kontakt zu Stella und Carlos haben wir durch die ehemalige Ost-Berlinerin Hannelore bekommen, die seit mehr als 30 Jahren in Kolumbien lebt und ebenfalls hier in Barichara ein Haus hat. Da es im Dorf aber über lange Zeit aufgrund der Pandemie zu Ausgangsbeschränkungen kommt, zieht Hannelore in eines der Häuser von Carlos und Stella. Die Anlage mit insgesamt 5 Häusern liegt gute 2km von Barichara entfernt und bietet viel Auslauf und Ruhe. Normalerweise werden die Häuser an Wochenendgäste aus Kolumbien oder Auslands-Touristen vermietet, die nur ein oder zwei Tage hier sind. Aber seit Mitte März ist es den Hotels und B&Bs in Barichara nicht erlaubt Gäste aufzunehmen und wir benötigen eine Sondererlaubnis der Polizei für den Umzug.

Wir fühlen uns auf Anhieb sehr wohl hier, bleiben aber die erste Woche noch in unserem Wohnmobil, um in aller Ruhe das Haus sauber zu machen und so nach und nach unsere Sachen einzuräumen. Stella ist so lieb und verdunkelt mit schwarzen Stoff offene Winkel, die nur mit Bambusstangen gefüllt sind. Das sorgt zwar für frische Luft im ganzen Haus (bei der hohen Luftfeuchtigkeit nicht unwichtig!), aber uns ist das Haus ab 5 Uhr morgens zu hell (da kann Helen nicht mehr schlafen) und außerdem pfeift der Wind gewaltig durch diese Stellen.

Für uns lohnt sich der Wechsel vom Campingplatz hierher nicht nur finanziell, er gibt uns einfach auch ganz andere Möglichkeiten für ein komfortableres Leben in der Pandemie ... und wer weiß, wie lange wir noch hier sein werden? Es kann Monate dauern, bis die Grenzen in Südamerika wieder aufmachen. Der Weg ins Dorf ist um einiges einfacher, wir müssen nicht mehr über Stock und Stein einen steilen Berg hoch, sondern können ganz gemütlich auf der Straße ins Dorf laufen. Auf dem Rückweg geht es zwar wieder mir unseren schweren Rucksäcken den Berg hoch, aber das ist deutlich weniger anstrengend als vorher.

Die Finca ist auf einem Plateau gebaut. Wir haben einen traumhaften Blick auf Barichara und die umliegenden Berge und richtig viele Wanderwege für unseren täglichen Sport. Unsere große Küche ist auch super! Das Bett ist bequem, wir können die heiße Dusche in einem der anderen Häuser nutzen (und später im neuen Duschhaus), haben unser eigenes Bad mit kalter Dusche, einen Tisch und Stühle, eine Veranda, super Internetverbindung und eine kostenlose Waschmaschine. Außerdem kann ich Stellas Ofen jederzeit benutzen, was natürlich unseren Menüplan erweitert. Alles super und wir fühlen uns sehr wohl. Alle weiteren Details zu unserem Leben hier findet man in den unteren Videos.

Hier aber noch eine kurze Zusammenfassung zu der Pandemie-Entwicklung in Kolumbien. Wer hätte gedacht, dass sich das alles so schlimm entwickelt und die ganze Welt für sehr lange Zeit zum Stillstand kommt? Wie bereits im letzten Bericht beschrieben ist Kolumbien am 19. März 2020 in den Lockdown gegangen. Zunächst sollte er nur für 19 Tage sein, aber dann wurde er verlängert und wieder verlängert und noch mal verlängert ... wir können uns an die einzelnen Verlängerungen gar nicht mehr alle erinnern und haben sie am Ende nur noch am Rande wahrgenommen.

Anfang März gab es in Kolumbien wenig offizielle Fälle, die erste richtige Corona-Welle schlug dann aber im Juli und August 2020 zu. Trotzdem beschloss die Regierung Anfang September, dass die Grenzen ab 1. Oktober wieder aufgemacht werden sollten. Alle Ausländer hatten 30 Tage, um das Land zu verlassen. Alternativ konnte man online eine Verlängerung des ursprünglichen 90-Tage-Visums beantragen, die Suspendierung dieses Visums wurde leider ab dem 1. September aufgehoben. Wir glaubten von Anfang an nicht, dass sich die Grenzen tatsächlich öffnen werden. Es gibt immer viel Blabla und dann passiert gar nichts. Deshalb haben wir gleich die Verlängerung beantragt und auch bekommen - Helen musste 103.000 COPS dafür bezahlen (umgerechnet etwa 23 EURO). Nun hatten wir eine offizielle Aufenthaltserlaubnis bis Ende Januar. Über einen Kontakt von Stella konnten wir auch von der DIAN (Zollbehörde) ein Papier für unserer Wohnmobil bekommen ... also erst einmal alles prima! Und natürlich wurden die Grenzen nicht geöffnet!

Eine zweite Corona-Welle folgte dann nach Weihnachten und eine dritte nach der Semana Santa (Ostern) im April 2021. Ausgangssperren wurden für Weihnachten 2020 und für das neue Jahr und erneut im April, Mai 2021 in Teilen des Landes eingeführt. Kolumbien hat eine extrem gespaltene Gesellschaft. Es gibt die wenigen Superreichen. Dann kommt eine große Mittelschicht und etwa 20% der Bevölkerung leben in Armut und können sich ein tägliches Essen nicht leisten. Hinzu kommen etwa 1,5 Millionen Flüchtlinge aus Venezuela. In der Mittelschicht verdienen die meisten Menschen hier zwischen 200 und 600 US Dollar pro Monat. Die Ungerechtigkeit im Land ist groß, die Regierungen (Land, Bundesstaaten, Lokalverwaltungen usw.) sind häufig korrupt. Drogenbanden, Paramilitärs und linke Guerillagruppen gehen seit Jahrzehnten ihren kriminellen Tätigkeiten nach.

Und so kann man sich sehr leicht vorstellen, dass die Pandemie der Tropfen auf dem heißen Stein ist, der Hunderttausende Bürger auf die Straße treibt. Das Pulverfass explodiert! Der nationale Streik gegen die Regierung beginnt am 28. April 2021 und hält immer noch an (ich schreibe diese Zeilen am 9. Juni 2021). Die anfangs friedlichen Proteste werden von der Polizei, dem Militär und einer Spezialeinheit brutal bekämpft, es kommt zu regelrechten Ermordungen der Streikenden und zu vielen Verschleppungen. Das wiederum bringt die Protestierenden auf die Barrikaden (buchstäblich!) und das Gewaltpotential auf beiden Seiten steigt und steigt. Straßenblockaden im Land legen den Warenverkehr lahm, es kommt zu Benzinmangel in vielen Teilen des Landes ... ein Ende ist noch nicht in Sicht. Wir verfolgen das Ganze täglich in den Medien und machen uns ernsthaft Sorgen. Wie sollen wir hier jemals rauskommen? Wie sicher wird eine mögliche Abreise aus Barichara sein? Welche Optionen haben wir überhaupt?

Immerhin kommen Ende Februar die ersten Impfstoffe nach Kolumbien. Anfangs nur der Chinesische Impfstoff SinoVac, den die Regierung bestellt hat. Ab Mai kommen auch die ersten Covax-Dosen in Kolumbien an, darunter AstraZeneca und Pfizer/Biontech. 70% der erwarteten 50 Millionen Impfdosen kommen aus dem Covax-Programm. Ob wir uns hier impfen lassen können, wissen wir noch nicht. 50 Millionen Kolumbianer kommen wohl erst einmal vor uns dran.

Ach ja, am 20. Mai 2021 öffnet Kolumbien alle Land-See-Fluss-Grenzen zu Ecuador, Panama, Brasilien und Peru. Nur die Grenzübergänge zu Venezuela bleiben geschlossen. Was heißt das nun für uns? Wir können eine Nacht lang nicht schlafen, denn gerade jetzt möchten wir Barichara auf keinen Fall verlassen. Es ist aufgrund des nationalen Streiks und der Corona-Lage viel zu gefährlich! Am nächsten Morgen sind wir aber schon wieder beruhigt, denn Ecuador und Panama lehnen die Öffnung ihrer Grenzen ab. Nach Brasilien und Peru kommt man eh nur per Boot! Puh! Typisch, dass Kolumbien - ohne sein Nachbarn zu konsultieren - einfach mal die Grenzen öffnet. Man kommt also nach Kolumbien rein, aber über Land nicht wieder raus. Und so bleiben wir hier halt noch eine ganze Weile länger hier.

Mitte/Ende Mai steigen die Corona-Infektionen in Barichara enorm an. Stella erzählt uns, dass sich 76 Schüler (von 600 in Barichara) mit dem Virus angesteckt haben, was aber offiziell nicht über das Bürgermeisteramt bekannt gegeben wird. Ehe man sich versieht, steigen die Zahlen hier und alle bekommen Angst. Der Besitzer eines großen Hotels hier verstirbt an Corona. Er ist an die 80 Jahre alt und hat Corona nicht ernst genommen. Kurze Zeit später erwischt es die Besitzerin der Zentralen Bäckerei. Sie ist nicht einmal 60 Jahre alt. Ihre Familie fährt sie zunächst nach San Gil, aber dort gibt es kein freies Bett mehr auf der Intensivstation. Über Beziehungen wird ein Hubschrauber angefordert, der die Frau nach Bogota fliegt. 2 Tage später ist sie tot, die Hilfe kam zu spät. Inzwischen (Stand: 22. Juni 2021) sind 12 Menschen in Barichara gestorben und jede Woche gibt es neue Fälle. Mehrfach haben wir jetzt einen Hubschrauber gehört und fühlen uns jedes Mal an unsere Wanderung zum Everest Basecamp erinnert. Hubschrauber bedeuten auch da, dass ein Menschenleben in Gefahr ist. Wir haben das mal hochgerechnet ... die 100.000 Inzidenz liegt im Moment bei über 1000 in Barichara (bei einer Einwohnerzahl von etwa 7500 hier). Wir müssen also höllisch aufpassen und auf eine baldige Impfung hoffen.

Wir halten euch natürlich weiterhin auf dem Laufenden.

Wir ziehen an einen neuen Standort. Unser Auspuff fällt zu Boden!

Das Leben in unserem neuen Zuhause ist entspannt und friedlich.

Stromausfälle, Stürme und Essenskämpfe ... es ist nie langweilig! :)

Umzug in unsere neue Hütte. Es ist ein Luxus, so viel mehr Platz zu haben!

Wenn eine Deutsche Französisch für eine Britin kocht ...