31.03. - 21.04.2022: Cuenca

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Wir lassen die Hitze an der Küste hinter uns und fahren wieder hoch in die Berge. Ach, tut das gut! Kurz vor Biblián wird der Himmel aber Pechschwarz und kurze Zeit später geraten wir in einen der heftigsten Stürme, den wir je erlebt haben. Es regnet Badewannen und in wenigen Minuten verwandelt sich die 6-spurige Panamericana in einen reißenden Fluss! Unser Scheibenwischer läuft auf Hochtouren und wir können kaum etwas sehen, während andere Autofahrer ohne Licht fahren und mit voller Geschwindigkeit in die Wassermassen rasen!

In Cuenca geraten wir in diverse Straßensperrungen und Umleitungen, um zu unserem Campingplatz mitten in der Altstadt zu kommen. Tu Parada en Cuenca liegt nur wenige Straßenblöcke von der Kathedrale entfernt. In iOverlander findet man diverse begeisterte Einträge. Ein richtiger Campingplatz ist es nicht, sondern ein kleiner Innenhof neben einem Familienhaus, auf den maximal drei Fahrzeuge passen. Miriam, die super nette Besitzerin, begrüßt uns herzlich und zeigt uns die Einrichtungen. Für 5 Dollar pro Person und Nacht haben wir Strom und Wasser, es gibt eine Entsorgungsstation und eine kleine Küche. Die neue Dusche im Campingbereich ist noch nicht ganz fertig, aber wir können vorübergehend im Familienhaus im Erdgeschoss heiß duschen. Hier stehen wir nicht nur sicher, sondern auch sehr ruhig. Vom Straßenlärm ist Dank des großen Einfahrtstor so gut wie nichts zu hören.

Miriam zeigt uns anschließend auch den Obst- und Gemüseläden um die Ecke, den Supermarkt, die Bäckerei und ein Restaurant in der Nähe, das wir nach einer wunderbaren heißen Dusche am selben Abend noch ausprobierten. Hamburger und Hähnchenfilet mit Pommes zu sehr günstigen Preisen, dazu ein frisch ausgepresster Saft. Lecker!

Wir waren zu Weihnachten und Neujahr 2019/2020 ja schon in Cuenca und haben damals die Stadt sehr genossen. Dieses Mal bleiben wir sogar drei Wochen hier. Auf die leckeren Berliner hatten wir uns schon wieder richtig gefreut, aber nach der Pandemie waren viele unserer Lieblingsläden von damals gar nicht mehr da. Schade! Dafür gibt es viele neue und wir finden sogar neue Akkus für unser altes iPhone 5 und unseren 10 Jahre alten Laptop zu richtig günstigen Preisen. Wow!

Und eine Zahnreinigung muss dringend mal wieder gemacht werden. Das war in der gesamten Pandemie nicht möglich ... oder sagen wir besser mal, wir wollten ohne Impfung das nicht riskieren. Um die Ecke bekommen wir einen Termin. Helen ist als erstes dran. Bei mir entdeckt der junge Mann dann zwei kleine Kariesstellen, die er beseitigt. Ich bin nach der Reinigung eigentlich ganz zufrieden, erfahren dann aber von Helen nach dem Bezahlen, dass sie gar keinen guten Eindruck von dem Zahnarzt hatte. Er hat ihr bei der Zahnreinigung zweimal in die Lippe geschnitten und wollte ihr dann anschließend für 900 Dollar neue Veneers andrehen. Helen hat dankend abgelehnt.

Wir erzählen Miriam davon und sie gibt Helen eine Empfehlung für ihren Zahnarzt. Dieser liegt 4km entfernt auf der anderen Seite von Cuenca und Helen bekommt noch für den selben Nachmittag einen Termin. Erneut sind wir nicht beeindruckt. Der Zahnarzt wirft einen kurzen Blick in Helens Mund und sagt, alles sei in Ordnung und sie brauche nur eine Reinigung, die wir ja vor wenigen Stunden schon mal hatten. Seine Tochter ist ebenfalls Zahnärztin und spricht Englisch. Sie wirft einen etwas detaillierten Blick in Helens Mund und ist sich dann sicher, dass nicht nur die Veneers ausgetauscht, sondern auch Kronen angefertigt werden müssen. Das würde aber zwei Wochen dauern und 1200 US Dollar kosten! Na, klar! Helen sagt, sie überlegt sich das noch mal und die Zahnärztin will ihr dann zumindest unbedingt eine Reinigung für das doppelte Geld, das wir heute morgen bezahlt haben, andrehen. Das verschieben wir dann aber auf das nächste Mal in einem Jahr oder so.

Wir befinden uns in der Regenzeit und merken das auch - an 16 von 22 Tagen, die wir hier sind, regnet es tatsächlich!!! Das gibt uns genügend Zeit in aller Ruhe unsere Reiseplanung zu machen. Gar nicht so einfach, denn Cuenca zu verlassen scheint ein Problem zu sein. Es gibt eigentlich 5 Straßen aus der Stadt heraus, die Cuenca mit dem Rest des Landes verbinden, aber aufgrund von schweren Erdrutschen sind gerade drei davon gesperrt. Wir wollen ja weiter in den Süden, durch Peru und Argentinien durch bis nach Uruguay. Die Straße nach Loja ist gesperrt, über Gijón kann man bis zur Küste runter und dann dort über die Grenze nach Peru, aber auch hier gibt es fast täglich Erdrutsche. Wir beobachten die Situation täglich und machen uns so unsere Gedanken.

So nach und nach geht man wieder entspannter mit dem Corona-Virus um. Ende März entfällt die Maskenpflicht in Cuenca, aber die meisten tragen sie freiwillig weiter. Und es gibt in Cuenca nach über zwei Jahren auch wieder Straßenumzüge und Prozessionen. Man merkt den Leuten die Freude darüber an. Trotz des schlechten Wetters wird auf den Straßen gefeiert und getanzt.

Zu Helens 60igsten Geburtstag schmeißen wir uns in Schale und gehen im Hotel Victoria vornehm essen. Ich muss einen Tag vorher erst einmal zum Schuster, um die Sohle von meinen Sandalen wieder ankleben zu lassen. Die Alternative Wanderstiefel hätte für diesen Abend nicht gut gepasst! Kleider machen Leute und das merken wir gleich am Eingang vom Hotel. Man hält uns mit einem Kopfnicken die Tür auf und wir werden direkt zum Restaurant eskortiert. Hier bekommen wir einen Tisch direkt an den Panoramafenstern und gleich drei Kellner kümmern sich den ganzen Abend um uns.

Wir teilen uns einen köstlichen Krabbencocktail als Vorspeise. Helen nimmt anschließend das Lammkarree als Hauptgericht, das aber ein wenig zu blutig ist und zum Nachgaren noch einmal in die Küche geschickt wird. Mein Lendensteak ist etwas zäh, aber die Beilagen sind sehr lecker. Der Nachtisch ist fantastisch - Pekannuss-Torte, Passionsfrucht-Käsekuchen, Brownie und Blaubeereis, das aussieht wie Micky Maus mit 2 Schokoladenaugen und 2 Keksohren! Die Rechnung ist entsprechend, aber man gönnt sich ja sonst nichts!

Einer der Gründe, warum wir drei Wochen hier sind, ist die dritte Corona-Impfung. Die Grenze nach Peru ist jetzt endlich offen, aber man benötigt eine Booster-Impfung. Da wir aber erst Ende Dezember die zweite Impfung hatten und 3 Monate warten müssen, bleiben wir hier. Laut Miriam können wir jederzeit im nahegelegenen Impfzentrum kostenlos eine Impfung bekommen. Und das machen wir dann auch. Eine Zahnärztin verabreicht uns die dritte AstraZeneca Spritze, weiß aber nicht, wie man aspiriert! Muss man als Zahnärztin ja auch nicht wissen. Wie erklären ihr kurz, wie wir das gerne hätten und warum und sie macht das dann auch ohne Probleme.

Am selben Tag kommen Snow und Curt mit ihrem Wohnmobil an. Ich verfolge sie seit der Pandemie auf ihrem YouTube-Kanal, denn die beiden waren ebenfalls in Kolumbien hängen geblieben. Ist schon komisch, wenn man jemanden zu kennen scheint, den man noch nie persönlich getroffen hat! Die beiden bleiben ein paar Tage und wir kommen mehrfach ins Gespräch. Ihr Womo ist im Vergleich zu Winnietwo riesig und der Innenhof ist voll, was einen Tag später (Karfreitag) zu einem Problem führt. Denn es kommt ein weiteres großes Mobil, dass aber an der Seite die Aufschrift "Funeraria" hat, was so viel wie Beerdigungswagen bedeutet! Es parkt zunächst draußen auf der Straße, so dass wir es nicht einmal bemerken. Wir machen uns abends für die Karfreitagsprozession fertig und stellen dann beim Schließen der Tür fest, dass ein leuchtend gelbes Stromkabel unter dem Tor nach draußen zu dem Wohnmobil führt.

Miriam kommt aus dem Haus und sagt, dass die Wohnmobilbesitzer uns bitten, alle raus zu fahren, damit sie sich hinten in die Ecke neben uns stellen können. Normalerweise ist das kein Problem, aber sie haben den ganzen Tag gewartet, bevor sie etwas sagten, und nun ist es draußen dunkel und Snow und Curt sind schon unterwegs!!! Das ganze Manöver wird entsprechend abgesagt.

Wir treffen Snow und Curt in einem Restaurant, von dem aus sie die Karfreitagsprozession beobachten wollen, und unterhalten uns eine Weile. Dann hören wir die Prozession und schauen dem Spektakel auf der Straße zu. Gleiche mehrere "Jesus" laufen mit Kreuzen in der Prozession und werden von "römischen Soldaten" ausgepeitscht. Man merkt den Teilnehmern und Besuchern ihre Hingabe an.

Die Prozession endet in der großen Kathedrale. Alle tragen Masken und sind sichtlich ergriffen. Es ist das erste Mal nach der Pandemie, dass in Cuenca wieder so viele Menschen zusammenkommen und viele denken in diesem Moment sicherlich auch an verstorbene Familienmitglieder. Auch wir haben einen Frosch im Hals!

In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages werden wir durch lautes Hämmern geweckt. Es kommt aus einer Mietwohnung im ersten Stock eines Gebäudes neben dem Campinggelände. Wie sich später herausstellt, haben die Bewohner ihre Sachen gepackt und sind um 2 Uhr morgens ausgezogen, ohne dem Vermieter Bescheid zu geben!!! Warum erwähnen wir das? Wegen ihres Hundes, dem wir den Spitznamen Bonkers gegeben haben. In den letzten 2 Wochen hat er uns täglich mit seinem verrückten Knurren, Bellen, Ausrasten auf dem Balkon genervt. Ohne ihn wird es ruhig werden!!

Einen Tag nach der Abreise von Snow und Curt parken die Besitzer vom Bestattungswohnmobil direkt vor uns im Hof. Eigentlich kein Problem, aber wir wollen morgen ebenfalls abreisen! Peru hat endlich seine Landgrenzen geöffnet und vor uns liegen noch 7.000km in etwa 6 Wochen, um unseren Stellplatz in Uruguay zu erreichen. Wir packen also alles zusammen und bitten Miriam den Besitzern vom Bestattungswohnmobil bescheid zu geben, dass wir morgen mittag raus wollen. Miriam erzählt uns, dass die Besitzer gar nicht mehr da sind! Sie sind heute morgen mit einem Taxi nach Guayaquil gefahren und wollen dort 8 Tage bleiben. Na, super! Warum haben die denn nichts zu uns gesagt? Und wie sollen wir jetzt hier rauskommen?

Angeblich sind die beiden Millionäre und haben ein Geschäft, das nichts mit Beerdigungen zu tun hat. Aber es gibt wohl einen Notfall, also haben sie Miriam einfach die Schlüssel gegeben und sind abgefahren! Miriam und ihr Mann wollen das brandneue Fahrzeug nicht vom Hof fahren, also macht Helen das - ohne Gewähr, dass was passiert! Tut es auch nicht. Miriam ist froh und erleichtert und wir verabschieden uns mit einem lachenden und einem weinenden Auge von ihr. Wir hatten hier eine tolle und sehr herzliche Zeit mit Miriam und ihrer Familie.

Bevor wir Cuenca verlassen, müssen wir einkaufen und Propangas auffüllen lassen. Die Propangasfabrik hat für den Nachmittag aber schon zu und so stellen wir uns für die Nacht unweit auf einen Parkplatz, um dann Gas am nächsten Morgen zu holen.